Diesmal Abfahrt vom Hauptbahnhof zu Zeiten, bei denen es schon hell ist. Der Zug ist rappelvoll, keine Reservierungen werden angezeigt, sondern nur jeweils "ggf. freigeben", so dass man Gelegenheit hat, seine Konversationskünste zu testen. Neben mir sitzt zunächst jemand, der sich von Berlin bis Leipzig etwas über Kopfhörer anhört. In Leipzig setzt sich eine junge Frau neben mich, die ich sofort beneide, da sie sich einfach ihre langen Haare über ihr Gesicht wirft und bis München durchschläft. Ich selbst muss arbeiten und zwar nicht wie geplant die paar hundert Seiten, die ich mir extra mitgenommen habe, durchlesen, sondern andauernd dringende Anfragen beantworten. Deswegen habe ich auch weniger Muße, mir die Landschaft anzusehen, ab Bayern wird jedoch das Wetter schlechter. Dunkle Wolken ziehen auf.
In München suche ich mir meinen Weg zum Nahverkehr, ich muss nach Schwabing. Ein Grund, warum ich den Termin überhaupt zugesagt habe, ist, dass ich die Gelegenheit gesehen habe, einmal wieder in München-Schwabing herumzulaufen. Vor knapp dreißig Jahren hat meine damalige Freundin längere Zeit in Schwabing gewohnt, ich war also auch häufig dort, aber ich kann mich an relativ wenig erinnern, weiß schon gar nicht, wie lange dieser Zeitraum war, wahrscheinlich von Anfang 1991 bis Frühjahr 1992, vielleicht auch etwas länger. Am Anfang hatte sie ein Wohnheimzimmer am Hohenzollernplatz; dort hatte ich meine erste richtige Begegnung mit der Großstadt: Am Freitagabend stand immer ein mittelalter Mann auf der Verkehrsinsel in der Mitte der stark befahrenen Straße, etwa ein Stunde lang. Nach ein paar Wochen fand ich heraus, was er dort machte: Er stand im Straßenlärm und brüllte Obzönitäten und Schimpfwörter in den Verkehr, wo ihn eigentlich niemand hören konnte. Wahrscheinlich hatte er diesen starken Drang und suchte nach einem Weg, ihn möglichst verträglich auszuleben. Ich denke noch häufig an diesen rätselhaften Menschen. Ansonsten habe ich nicht mehr viel Erinnerung an den Hohenzollernplatz, nur dass es dort wohl eine Gang gab, die sich die "Honzis" nannten. Später zog meine damalige Freundin in eine WG in der Karl-Theodor-Straße.
Von der Giselastraße mache ich mich auf den Weg zur Münchner Freiheit, nichts an der Gegend kommt mir bekannt vor. Alte Möbel stehen auf der Straße, aber für München fühlt sich das verkehrt an. Ich war zuvor schon über den Nahverkehr entsetzt, der tatsächlich noch unangenehmer als in Berlin ist. Die Berliner haben zumindest die Entschuldigung, dass sie Berliner sind, was ist die Entschuldigung der Münchner?
Ich gehe die Karl-Theodor-Straße entlang, auch hier kommt mir nichts bekannt vor. Merkwürdigerweise habe ich allerdings eine genaue Vorstellung, auf welcher Straßenseite die Wohnung war. Ich komme an Jugendstilfassaden vorbei mit seltsamen Ornamenten, an einem Hofeingang, über den die römische Wölfin angebracht ist. Ich bin sicherlich mit Anfang zwanzig ziemlich blind durch die Welt gegangen, aber hätte ich mich nicht an diese Einzelheiten erinnert? Ich kann jetzt noch die Augen zumachen und sehe Schritt für Schritt meinen Weg von der London Street zum Old College vor mir, den ich 1997, als ich in Edinburgh lebte, jeden Tag gegangen bin; von München habe ich nur sehr verstreute und wohl auch sehr selektive Erinnerungen.
Es nieselt ein wenig, ich bin etwas melancholisch, weiß eigentlich selbst nicht so recht, was ich suche oder zu finden hoffe? Einen Hinweis, der zwingend erklärt, was nach 1992 passierte? Eine Spur, die erklärt, wer ich damals war, und welche Dinge es ansonsten noch gibt, an die ich mich nicht erinnere? Früher habe ich in die Blogposts manchmal vage Geschichten aus früheren Zeiten geschrieben, weil ich wusste, dass M. in den Kommentaren korrigieren oder ergänzen würde. Nun gibt es niemand mehr, der korrigieren oder ergänzen könnte, die Geschichten gehören jetzt mir und meiner vagen Erinnerung. Die Erinnerungen ändern sich von Jahr zu Jahr, verschwimmen, am Schluß bleiben Geschichten, von denen keiner mehr weiß, ob sie stimmen. Wahrscheinlich spielt es auch keine Rolle.
Am anderen Ende der Karl-Theodor-Straße erinnere ich mich wieder. Dort war das Haus, nahe an der Belgradstraße. Anscheinend sind wir selten Richtung Münchner Freiheit gegangen. Im Englischen Garten waren wir aber häufiger, ich habe noch einen Stapel merkwürdiger Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die ähnlich rätselhafte Objekte abbilden, wie die Fotografien hier im Blog. Zumindest insoweit Kontinuität.
Ich gehe weiter zu der Veranstaltung. Aus dem Fenster kann man in einen Hinterhof sehen, der so aussieht wie der von Meister Eder im Vorspann der Fernsehserie. Reden werden gehalten, aus einer fernen Zeit. Ich gehöre nicht recht hierher, nehme mir deswegen ein paar Häppchen und gehe nach der letzten Laudatio. Netzwerken gibt es erst wieder im nächsten Jahr, wenn überhaupt.
Ich suche mir einen Zug Richtung Allgäu. Mit hunderten von Pendlern stehe ich auf einem nicht überdachten Bahnsteig in Pasing und warte. Kurz bevor der Zug kommen soll, wird der Bahnsteig geändert, die Pendlerherde hetzt durch die Unterführung. Im Dunkeln komme ich im Heimatort an, nur um morgen wieder nach Berlin zu fahren.
FRÜHSTÜCKS-LEKTÜRE... ganz nach meinem Geschmack ...DANKE ♥
AntwortenLöschenHast - gestern - nach dem Kleine Kalender gefragt ... gab ja nix besonderes zu posten, dafür heute... das ganze Programm ... bitteschön:
Events im Dezember 2019
So 1. Advent 2019
Adventszeit
Meteorologischer Winterbeginn
Welt-AIDS-Tag
Frühwinter
Iss-einen-roten-Apfel-Tag
Namenstag: Bianca, Blanka, Charles, Edmund, Natalia, Natalie
Fröhlichen 1.ADVENT wünscht ♥ das Engelchen - Annette - *HOhoHO*
ES GAB GESTERN NICHTS BESONDERES ZU POSTEN?? ENGELCHEN,ENGELCHEN....
LöschenS O R R Y :
LöschenTag der blauen Mützen
Stichtag KFZ-Versicherung
Kauf-Nix-Tag
Namenstag: Alexander, Andey, André, Andrea,
und
•✿•ڿڰۣ✿• ANDREAS •✿•ڿڰۣ✿•
*nachträglichalles♥LIEBEzumNAMENSTAG...hipphippHURRA*
Danke! Geht doch!
LöschenAuch noch nachträgliche Wünsche zum Namenstag- war in der Eifel ein Fest, hier im protestantischen Süden nie. Mir wurde ganz konfus beim Lesen des Blogbeitrages: hunderte Seiten lesen, dringende Anfragen bearbeiten, Rückblicke in die Vergangenheit im Regen, ...Wie wäre Netzwerken mit Pumuckel, um die Veranstaltung aufzumischen?
AntwortenLöschenNa, und dann bist Du zum Elternhaus gefahren, es gab Essen und ein warmes Bett(und frohe Eltern, Deine Mutter hat ja auch bald Geburtstag!). Ein ausgefüllter Tag, in seiner Bewegtheit nichts mehr für mein Alter, mach Du nur...
Ja, ein konfuser Tag, aber das muss ja auch mal sein.
LöschenIch habe Ihren Text sehr gerne gelesen. Er ist so schön novemberbluesig und die Vergangenheit bleibt im Nebel, wie die alten Weiden am Fluss.
AntwortenLöschenDanke! Das Bild der Weiden gefällt mir gut, im Bürgerpark ist eine, zu der ich immer wieder mal gehe, alt, geborsten und geheimnisvoll.
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