Everybody's fucked in their own special way

Freitag, 17. Januar 2020

Hin und zurück


Etwas früher aufstehen als sonst, aber noch verträglich. Tee kochen, Katzen füttern, Frühstück richten, dann aber schon gleich aus dem Haus, der Tee ist leider noch zu heiß, um mehr als ein paar kleine Schlucke zu trinken. Durch die Dunkelheit zur S-Bahn, am Hauptbahnhof aussteigen, noch ein paar Minuten rumtrödeln, aber der Zug ist pünktlich. Der Zug fährt nach Hamburg, ich sitze mit dem Rücken zur Fahrtrichtung und kann deswegen sehen, wie langsam, langsam der Morgen dämmert und die ganzen kahlen Bäume, Strommasten und Windräder sich schwarz von einem immer heller werdenden Himmel abzeichnen. Die Farbschattierungen ändern sich minütlich, ein wirklich schöner Anblick. Um das zu fotografieren, hätte man kurz die Notbremse ziehen und aussteigen müssen. Und selbst dann würde das Foto nur einen schwachen Abglanz des Bildes zeigen.

Meine poetische Stimmung hält an, als wir außerplanmäßig in Schwarzenbek halten. Alter Mann, der ich bin, habe ich eine Verbindung gebucht, bei der ich noch genügend Zeit habe. Es gibt offensichtlich Probleme mit den Oberleitungen im Hamburger Bahnhof. Wir stehen eine halbe Stunde, eine ganze, dann wird uns angeboten, dass wir in einen Regionalexpress nach Hamburg-Bergedorf einsteigen könnten und von da an dann mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof. Warum nicht? Also in den überfüllten Regionalexpress, die Fahrt dauert aber nur knapp 10 Minuten. Dann Ausstieg in Bergedorf. (Erst später fällt mir ein, dass ich hier eine Weltbeherrscherin besuchen hätte können.)



Das wartende Publikum stellt Platos Höhlenparabel nach.


Nach der S-Bahn-Fahrt stelle ich wieder einmal fest, dass die Berichte von der Schönheit Hamburgs stark übertrieben sind. Sollte das schon aufkeimender Berliner Lokalpatriotismus sein? Bin ich endlich angekommen?


Die Sonne scheint und die milde Luft hat etwas frühlingshaftes. Mich macht diese laue Luft immer froh, so auch heute, auch wenn ich weiß, dass es viel zu früh ist und wahrscheinlich ein Zeichen für das kommende Wetter-und Klimachaos. Ich freue mich trotzdem, aber mit unspezifisch schlechtem Gewissen. 


Ich komme zu spät zur Veranstaltung, da ich zwei Stunden später als erwartet angekommen bin, aber noch rechtzeitig zur Kaffeepause (Vor einem Jahr kam ich erst so spät nach Hamburg, dass ich gleich wieder zurück fahren konnte, vor zwei Jahren war bei der Rückfahrt der Zugverkehr wegen Sturm gesperrt und ich hatte Glück, das letzte Flixbus-Ticket zu kriegen, insoweit war das eigentlich dieses Jahr relativ erfolgreich). Ich stopfe mir irgendwelche süßen Teilchen rein und rede mit den zwei Leuten, mit denen ich heute reden wollte. Die weiteren Vorträge sind überraschend interessant, in der Mittagspause treffe ich einen früheren Kollegen, mit dem ich vor 15 Jahren mal viel gearbeitet habe. Wir gehen die Liste der anderen früheren Kollegen durch, wenigstens ist da noch keiner gestorben. Er sagt mir, was er schon seit 15 Jahren sagt, dass er mir mal meine Sachen zurückgeben müsste. Jo. 


Sonst passiert nicht viel, zurück zum Bahnhof, die Luft ist extrem klar und der Himmel blau. Nachdem ich am Nachmittag überprüft hatte, ob es Probleme mit der Rückfahrt gegen könnte, blieb ich bei dem Zug, für den ich eine Reservierung hatte. Tja. Zug fällt aus, Ersatzzug wird gestellt, der leider kürzer ist als der geplante ICE. Ich kriege allerdings noch einen Sitzplatz und tippe dies, während wir durch die schwarze Nacht nach Berlin fahren.

18 Kommentare:

  1. ups. die bahn wäre nix für mich. ist ja wie ein überraschungsei mit wechselnd kaputten inhalten. für den ärger dann auch noch geld ausgeben??

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    1. Ich finde das immer eine gute Gelegenheit, seinen Stoizismus zu trainieren. Ärgern tu ich mich nie, davon komme ich ja auch nicht schneller an.

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    2. du hast recht. bahnfahren statt meditation.

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    3. Das ist mein Ansatz. Die Wut, die man auf Triviales verschwendet, für würdige Anlässe aufheben.

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  2. Hamburg hat schöne Ecken. Diese hier zum Beispiel. https://goo.gl/maps/CQH6K5e3PAq8Tph59
    Der Rest ist wie in jeder anderen Stadt.

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    1. Das nächste Mal zu Onkel Otto.

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    2. Ja, genau! Und das Jolly Roger ist auch nett, in der Nähe vom Millerntorstation: https://www.google.de/maps/place/Jolly+Roger/@53.5551139,9.962128,17z/data=!3m1!4b1!4m5!3m4!1s0x47b18f6c00cfe12b:0x5b5eb670a170d7d8!8m2!3d53.5551139!4d9.9643167?hl=de

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    3. Dit ging ja schnell zurück von Tokio

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    4. Ich habe die Strecke zurück hürdengeschwommen, daher über Hamburg...

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    5. Wenn Herr Ackerbau das nächste Mal von einer Dienstreise aus Hamburg kommt, wird er wohl Frau Ackerbau einiges erklären müssen.

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    6. Wieso? Jolly Roger ist doch das Pferd von Lucky Luke?

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  3. Sehr schöne Morgen - Lektüre ... DANKE ♥

    Wirf-Deine-Jahresvorsätze-über-Bord-Tag 2020
    17. Januar 2020 in der Welt

    und

    "Sie haben ja eine Kinderfahrkarte!"

    "Da können Sie mal sehen, wie viel Verspätung der Zug wieder hatte!"

    ... (ړײ) *TJA*

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  4. Immerhin Rückfahrt mit Sitzplatz, sonst alles normal DB-gerecht.
    Aber eine schöne Fahrt ist ja ein Gewinn, Sonnenaufgänge zu schauen geht auch aus dem Zug. Und die Meetings sind ja hauptsächlich zur notwendigen Kontaktpflege.

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    1. Eigentlich wollte ich etwas erfahren. Aber die Information bekam ich beim Kaffeetrinken.

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  5. Falls der Titel dieser Heldenreise eine Anspielung auf das Rote Buch der Westermark sein soll, fehlt da was: „Hin und wieder zurück“.

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    1. Um Gottes Willen, ich bin doch kein Hobbit! Der Titel soll nur die erhabene Sinnlosigkeit meiner Reisen verdeutlichen. Hin, zurück, im Zug oder gar nicht ankommen: alles wurscht.

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    2. Mögen dennoch die Haare Deiner Füße niemals spärlich werden.

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