Also kramen Michali und ich uns durch Kisten mit Texten,
Akkorden, Setlisten und alten Fotos und sammeln die Lieder, die man noch einmal
spielen könnte. Bei einigen fragt man sich „Wie konnte man damals so etwas
schreiben?“, weil sie so furchtbar sind, bei anderen „Wie konnte man damals so
etwas schreiben?“, weil sie auf eine Weise stimmig sind, die man heute, selbst
wenn man wollte, nicht mehr erreichen würde. Bei einigen Liedern kann man sich
kaum vorstellen, dass 15-Jährige sie geschrieben haben (bei anderen ist das die einzig denkbare Entschuldigung). Reizvoll ist besonders
die Unmittelbarkeit und Unbekümmertheit, die anfangs bestand. Insgesamt also
eine Zeitreise in die eigene späte Jugend, man lernt sich wieder kennen als Träger
von rätselhafter Wut, abgrundtiefer Traurigkeit und überraschendem Witz, gerne
auch in schnellem Wechsel. Der Soundtrack des Heranwachsens.
Michali und ich probieren die Anlage aus. Lautsprecherboxen schätzen es nicht, lange in feuchten Kellern zu stehen und bilden dann gerne ein flauschiges Fell aus. Glück für mich, dass Michali schon die Reinigung übernommen hat. Als wir so rumprobieren, stellen wir fest, dass wir extrem authentisch sind, weil alle technischen Errungenschaften der letzten 25 Jahre an unserer Ausrüstung vorbeigegangen sind. Das ist dann quasi wie die historische Aufführungspraxis bei Bach-Werken, 80er Punk auf 80er-Billig-Equipment. Ist das jetzt Vintage, Old School oder stone-washed?
M. kommt und wir suchen Stücke, an die wir alle uns noch erinnern. So langsam fügt sich alles, manches geht mit traumwandlerischer Sicherheit, an anderen Stellen stellt man fest, dass man die gleichen Fehler auch schon vor zwanzig Jahren gemacht hat. Der Besitzer des Proberaums hört uns fassungslos ein paar Minuten zu und geht dann lieber schnell. Alles in allem war es nicht gut, aber auch nicht schlecht. Mit etwas mehr Vorbereitung kann man's vielleicht angehen.
Und vielleicht spielen wir dann auch mal ein Konzert zu Ende.
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