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Montag, 14. April 2014

History Lesson (Pt.II)

Irgendwo im Allgäu, vier junge Burschen finden sich in einem Garten zusammen. Sie räumen den alten Schuppen aus und stellen überrascht fest, dass M.s Oma offenbar seit Jahrzehnten alte Klobürsten gesammelt hat. Auch wenn Oma nun protestierend daneben steht, die müssen raus, es muss Platz für andere Sachen geschafft werden. Zum Beispiel für das Schlagzeug von M., das er sich gebraucht gekauft hat*, oder für verschiedene Verstärker, die mit Hilfe von Vater Z. zusammengelötet wurden. 

Die Burschen sind etwa 15, 16 und haben in den letzten Monaten Sachen zusammen getragen, die zum Musizieren nützlich sein könnten. J. hat einen Bass, der zwar nur drei Saiten hat, aber er versichert, dass er ohnehin nur auf einer spielen würde, das sei alles kein Problem. A., der Jahre später mal unter dem merkwürdigen Pseudonym Ackerbau** schreiben wird, hat eine gebrauchte Gitarre, die sogar (zumindest anfangs)*** mit sechs Saiten bespannt ist. Das Problem ist eher, dass A. keinen einzigen Gitarrenakkord kennt, sondern nur mit dem Barré-Zeigefinger über das Griffbrett schrubbt. Da die Gitarre, genau wie der Bass, auch nicht gestimmt ist, wirkt sich diese Wissenslücke aber nicht wesentlich aus. Mi. hat ein Mikro, da er kein Instrument spielt, muss er singen. 

Ich kann mich nicht erinnern, wie wir Strom in den Schuppen gekriegt haben, aber irgendwann ging es los. Ein Freund hatte ein paar Wochen vorher erklärt, es klinge gut, wenn man auf der Gitarre einfach auf den Bünden spiele, auf denen Punkte seien. Deswegen bekommt das erste Lied, das innerhalb von 10 Minuten im Schuppen geschrieben wird, die klassische Akkordfolge e-G-a-H. Es gibt noch einen Refrain, der allerdings nur auf der Gitarre gespielt wird, da der Bassspieler ihn sich nicht merken kann.  Das Ganze wird schnell auf einem tragbaren Cassettenrekorder aufgenommen.

Nach der Probe geht es an die frische Luft und man beginnt, die ersten Biere zu trinken. Da es keine Schalldämmung in dem Schuppen gibt, hat die Nachbarschaft Anteil nehmen dürfen; ein Wunder, dass niemand die Polizei geholt hat. M.s Eltern erklären, dass man sich schleunigst einen Proberaum besorgen müsse. Ihre Hoffnung, dass der Spuk von selbst ein Ende nimmt, hat sich nicht erfüllt. Die vier Musikanten scheinen ja auf den Krach sogar noch stolz zu sein. Es fehlt noch der Bandname, man nimmt den Beruf, in dem Bassist J. vor kurzem eine Lehre begonnen hat, und schreibt ihn falsch.

Die Welt ist feindlich, aber die Sonne scheint. Wir sind Punks und keiner kann uns etwas anhaben. Schnell noch unseren Bandnamen auf die Lederjacke geschrieben. Wir wissen nicht viel, aber wir wissen, dass das Können nicht so wichtig ist wie die Haltung. Und die haben wir. 


Das war vor genau dreißig Jahren, am 14.04.1984.



*Das Geld für das Schlagzeug hatte M.s Mutter ihm mit der Erwägung geliehen, mit Tanzmusik könne man ja ein hübsches Sümmchen verdienen. Ha! 
**Eine Zeitlang war damals mein Spitzname "Bauer". Auch wenn wir aus einer ländlichen Gegend kamen, war das nicht als Kompliment gemeint.
***Einige Jahre lang ging fast mein gesamtes Taschengeld für Gitarrensaiten drauf. Lag an der dynamischen Spielweise.

6 Kommentare:

  1. Mannomann! Das erinnert mich ganz gewaltig an meine Jugend: mein Bruder (jünger als ich) hatte mit ein paar Freunden auch eine Band gegründet, und ich hatte als einzige schon den Führerschein. Zusammen mit dem Auto von meiner Mutter fungierte ich als Roadie! :-D

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    1. Ein Roadie ! Das wäre etwas gewesen. Na, dann weißt du ja auch, wie man schnell ein Schlagzeug zusammen legt?

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    2. Das hat mich der Schlagzeuger (aus gutem Grund) nicht machen lassen... ;-)

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  2. der name war dazu da c. zu ärgern. gitarrenverstärker gabs keinen beide instrumente liefen über den bassverstärker von mu. die orginalaufnahme des ersten übunxtages liegt noch bei mir in der schublade

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  3. Was für eine anrührende Geschichte! Wetten, viele haben genauso angefangen? Was mich noch rührt: Das Label "Sellmals". Wie schön!

    Hast Du dann jemals ordentlich gelernt, Gitarre zu spielen?

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    1. Da gehen die Ansichten auseinander.... (verglichen mit dem 14.4.84 gab es allerdings erhebliche Fortschritte). Unter "Sellmals" sammele ich die Erinnerungsposts (eigentlich sagte man bei uns "detmals", aber sellmals klingt schöner...)

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