Seiten

Samstag, 19. November 2016

Bedeutende Dienstreisen (20)



Es gibt einen Weg, das frühe Aufstehen zu vermeiden: Man reist am Vorabend an. Dann hat man noch einen Hotelaufenthalt. Als Kind fand ich die Vorstellung, in Hotels zu übernachten, total spannend. Das war so etwas wie Taxifahren, etwas, das man bei uns in der Familie nicht machte, weil es viel zu teuer war (Urlaub war immer bei Verwandten oder in irgendwelchen Pensionen). Inzwischen habe ich genügend Hotelaufenthalte hinter mir und versuche sie wo es geht zu vermeiden. Ich finde, es gibt wenig deprimierenderes, als irgendwo spätabends in irgendeinem Tagungshotel anzukommen. 

***

Die Lichter der Großstadt beim Start.

***

Vom Flughafen zum Hotel kommt erst eine längere Taxifahrt. Der Taxifahrer ist schon älter und er spricht einen Satz, den kein Berliner Taxifahrer je verstehen könnte. „Da drängelt aber hinter mir wieder einer. Fahren wir halt besonders langsam.“

***

Wir fahren durch den Heimatort von Frank Farian und es kommt gerade im Radio, dass Frank Farian in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert. DAS MUSS DOCH ETWAS ZU BEDEUTEN HABEN! (Ansonsten aber als Musik: Helene Fischer, Nicki und noch irgendetwas, was ich schon verdrängt habe. Wollt Ihr auch nur zruck zu mir?)

***

Der Taxifahrer ist Philosoph. Der folgende Satz ist der Grund, warum ich diese Dienstreise überhaupt dokumentiere: „Wissen Sie, es gibt zwei Wege: Über die Autobahn, das ist schneller, aber kostet 20 EUR mehr. Oder über die Dörfer: Das ist 15 EUR billiger, aber dann auch schneller.“ Darüber kann man wohl jahrelang nachdenken. Wo sind die 5 EUR hingekommen?

***

Blick aus dem Fenster. Es lässt sich nicht öffnen. Wahrscheinlich sieht man hier die Gäste im fünften Stock schon als gefährdet an.


***

Das steht auf meinem Karton für die Schlüsselkarte. Ich habe keine Ahnung, was das Hotel mir damit sagen will.

***

Am nächsten Tag beim Frühstück gibt es keine Teekannen, sondern nur Teetassen. Das ist bei mir eigentlich das einzige Qualitätserfordernis ans Frühstücksbuffet. Hrmpf. Neben mir sitzt ein Pärchen, dass sich in einem sehr merkwürdigen Dialekt unterhält, den ich nicht zuordnen kann. Es braucht ein bisschen, bis ich verstehe, dass es Niederländer sind.

***

Ich gehe trotz Regen zum Tagungsort. Interessant ein fünfzigwässriges Haus mit viel Kunst an der Fassade. Mir gefällt so etwas nicht sonderlich, spannend ist allerdings auch für mich die Frage, ob der unkonventionelle Zaun auch zum Kunstarrangement gehört oder ob da etwas kaputt gegangen ist.

***

Das Saarland hat Null-Toleranz für Streber.


***

Gemessen an der langen Anreise darf ich nur sehr kurz etwas sagen. Das ärgert mich. (Der Titel der Reihe „Bedeutende Dienstreisen“, der ja immer schon „Sinnlose Dienstreisen bedeuten sollte, passt diesmal besonders). Ein Redner nach mir streift die Digitalisierung, ohne auch nur irgendetwas über Disruptivität zu sagen (dabei habe ich letzthin erst Schäuble gehört, der brav nach „Digitalisierung“ „disruptiv“ gesagt hat). Er weist allerdings darauf hin, dass Cybercrime eine große Sache wäre, auch wenn der Bürger es nicht mitbekomme, da dort niemand etwas auf die Fresse bekommen habe. Die Herausforderung der Digitalisierung illustriert er damit, dass ihm letzthin sein dreijähriger Enkel beigebracht habe, wie man mit dem Handy Videos aufnehme. Er schaut in die Reihen, weist darauf hin, dass sich einige im Publikum wohl nicht mehr damit beschäftigen müssten, aber er sehe auch einige im mittleren Alter, die müssten das noch meistern.

Die Rede ist auf mehreren Ebenen beunruhigend.

***

Irgendwer sagt irgendwas zu Donald Trump.
(Irgendwo bellt ein Hund.)

***

Innen in der Toilettenkabine hängen verschiedene kopierte Zettel. Einer: „Hinterlasst Ihr zuhause die Toilette auch so dreckig?“, handschriftlich durch ein „Jo“ ergänzt. Der andere, eine Karikatur eines Mannes, der irgendetwas wie „Ihr Stinker, Ihr müsst doch sauber machen, sonst kommt der Eierbeisser“ sagt. Es wäre eigentlich auch noch einmal eine volkskundliche Aufgabe, diese kopierten Kloanweisungen aus Firmen zu dokumentieren (mir fallen da noch die Zeichnungen „Richtiger Gebrauch der Klobürste“ ein). Diese Zettelchen sind wohl auch eine Tradition, die langsam ausstirbt. (Das Blogprojekt können gerne andere machen, ich orientiere mich ja jetzt eher an Qualitätscontent).

***

Rückflug verspätet. Spätabends Heimkehr.

***


Das Flugzeug hält beim Terminal A, Einlass ist allerdings am Terminal C. Das heißt, dass man noch eine längere Busreise über das Flugfeld machen muss. Der Bus fährt außen an den Parkplätzen und Parkhäusern vorbei und dabei ergibt sich ein wunderbares Bild: Es gibt einen großen Parkplatz auf dem die Taxis warten, es stehen dort vielleicht 200 Wagen mit rot leuchtenden Hinterleuchten und gelb leuchtenden Taxischildern. Wie ein surreales Bild oder ein Tableau aus einem irren Science-Fiction-Film. Schön. 

17 Kommentare:

  1. WOW WOW WOW ...
    das,
    war mal eine - lohnende -Dienstreise,
    mit feiner Ausbeute :

    - philosophierender Taxifahrer
    - Tasse statt Teekanne
    - fünfzigwässriges Haus
    - Cybercrime
    - Kloanweisungen
    - 20 Taxen mit rot erleuchteten Hinterleuchten

    *völligstbegeistertbinUNDmehrdavonWILL*

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Längere Texte werden auch dadurch gefördert, dass man beim Rückweg 5 Stunden auf dem Flughafen festsitzt... Wenn alles gut geht, bin ich dieses Jahr nur noch zweimal unterwegs.

      Löschen
    2. *schade...IHNEN...zwinkernd....dann...doch...längereWartezeitenwünsch...hehe...duckundweg*

      Löschen
  2. Es gibt noch einen dritten geheimen Weg, der ist 17,50 billiger und noch viel schneller. Das sind so Taxifahrfahrertricks um Fremden die Kohle aus der Tasche zuziehen.

    AntwortenLöschen
  3. Der Werbetexter für die Schlüsselkarte gehört gefeuert, dann mir fallen beim besten Willen keine positiven Assoziationen ein, es sei denn, du kannst dich hiermit anfreunden: "Diese Schlüsselkarte passt auch für den Limbofitnessraum", denn tiefer kann das Niveau nicht sinken als ein Dachshund, der unter die Toilettentür durchpasst...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Im Gegenteil, der/die/das/etc. WerbetextX sollte sofort und umgehend mit dem Nobelpreis für Gedankenkontrolle ausgezeichnet werden.

      Jeder weniger rätselhafte Text (vielleicht noch auf Deutsch, also zudem noch zu leicht lesbar) wäre dem Hausherrn (?) gar nicht erst aufgefallen und hier veröffentlicht worden. Wäre er andererseits rätselhafter gewesen, beispielsweise ein Haiku über Fermats letztes Theorem auf Inuktitut killiunerususut, wäre er möglicherweise als bedauernswerter Unfall der Druckerei misinterpretiert worden.

      Der tatsächliche Text balanciert hingegen genau auf der Grenze zwischen Sinn und Unverständlichkeit, was durch die Tatsache bewiesen wird, dass der Hausherr ihn unter Hinweis auf die Existenz eines Hotels veröffentlicht sowie mehrere Mitwirkende seines Kommentatorenumfelds sich Gedanken darüber machen und ihn somit in ihren Köpfen verankern.

      Löschen
    2. Virales Marketing? Naja, AiP ist da nicht ganz geeignet..

      Löschen
  4. Guter Mann, ich habe Sie manchmal schon heimlich beneidet um diese Dienstreisen, das kam mir immer sehr mondän vor, während ich hier nur durch den Wald juckele. Aber diesmal kein neid. Ehrlich jetze. Und das beknackte Schild, da will ich unbedingt eine Übersetzung, dabei dachte ich, ich verstünde Englisch.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lower than a sausage dog having a lie down = Niedriger als ein liegender Dackel.

      Löschen
    2. MONDÄN? Mein Gott, ich muss sofort meinen Blog löschen.

      Löschen
  5. „Über die Autobahn, das ist schneller, aber kostet 20 EUR mehr. Oder über die Dörfer: Das ist 15 EUR billiger, aber dann auch schneller.“ Darüber kann man wohl jahrelang nachdenken. Wo sind die 5 EUR hingekommen?

    Naja, ganz einfach: Über die Autobahn ist schon schneller (… als was eigentlich? Ach, egal …), und über die Dörfer ist dann nochmal schneller als sowieso schon schneller. Wenn ich die üblichen „Normal, Alder …”-Geschwindigkeiten hiesiger Taxipiloten zu Grunde lege, dürften dabei relativistische Effekte nicht auszuschließen sein, die sowohl Raum als auch Zeit entlang der Weltline des Taxis verändern und damit natürlich auch die Fahrtkosten.

    Deren exakte Höhe lässt sich übrigens ganz einfach unter der Annahme, dass das Taxi jeden möglichen Weg vom Start zum Ziel der Fahrt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durchläuft, durch Anwendung der feynmanschen Pfadintegralmethode berechnen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. ... sind denn - hier - alle plemplem ? *(ړײ)FREU*

      Löschen
    2. „Der größte Teil der Menschheit war plemplem.
      Der Rest war entweder verbittert oder schlicht dumm.“

      Charles Bukowski *gibbel*

      Löschen
    3. „Der Mensch wird als Genie geboren und stirbt als Idiot.“

      Charles Bukowski *DASunbedingtnochgepostethabenwollt...zwinker*

      Löschen
    4. Ich bin dann offenbar näher am Lebensende.

      Löschen