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Donnerstag, 28. September 2017

Bedeutende Dienstreisen (31)

Viel zu früh aufgestanden, als erstes das amtliche Ergebnis des Tegel-Volksentscheids angesehen. Nichts, was die Laune verbessern könnte. Mit Köfferchen zum Hauptbahnhof, die Jacke, die ich über mein Jackett angezogen habe, ist definitiv zu warm. Unentschiedenes Herbstwetter.

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Im Zug zwar an einem Tisch, aber nicht an einer Steckdose. Trotzdem kann ich ein paar Dinge, die noch von letzter Woche liegen geblieben sind, erledigen. Die Landschaft im Nebel, erst mit einigem Abstand von Berlin wird es hell und sonnig. Ausnahmsweise steige ich mal vor der Zugteilung in Hamm aus, das fühlt sich ein bisschen wie Mogeln an. Der Hammer Bahnhof hat erstaunliche Schätze, leider muss ich schnell umsteigen und werde von einer Menschenmasse umschlossen, so dass ich die wunderbaren Dinge nicht fotografieren kann. Freunde interessanter Beschädigungen von Fußbodenplatten müssen sich also gedulden, bis ich da wieder einmal hinkomme.

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Ankunft in Münster, ich muss erst fünf Mal um die Halle herumgehen, bis ich den richtigen Eingang finde. Auf dem Weg finde ich aber die schöne Inschrift, die ich am Dienstag verbloggt habe. (Aus stilistischen Gründen habe ich dort das einleitende "Hurensöhne!" weggelassen. Ich finde, man muss sich schon entscheiden, ob die Adressaten bitches oder Hurensöhne sind. Auch die junge Generation kann ein bisschen konsistenter schimpfen.)

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Ich komme rechtzeitig zum Mittagessen, was dann doch nicht so positiv ist, da mir dann den ganzen Nachmittag schwummrig im Magen ist. 

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Nach dem Essen bin ich gleich dran. Ich erzähle wieder das gleiche wie letzte Woche, allerdings ohne Nachhaltigkeit im Titel. Da ich aber ohnehin unabhängig von den Folien das erzähle, was mir so durch den Kopf geht, ist das relativ wurscht. Ein, zwei groteske Behauptungen zum Einstieg, damit die Leute wieder wach werden. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass sich die Leute dann nur noch an die grotesken Bemerkungen erinnern. Schon häufig passiert, dass man Leute trifft, die sagen, ach, ich habe Sie ja vor einem Jahr gesehen, da haben Sie ja vorgetragen, und sich als einzigen Punkt dann an den verunglückten Einstiegswitz erinnern, den alle komplett falsch verstehen. Macht aber nix. Die Zuhörer konnten über eine Online-App Fragen stellen, die der Moderator dann verlas. Das Ganze soll es ja schüchternen Zuhörern erleichtern, Fragen zu stellen, das geht aber nicht so richtig auf, wenn der Moderator die Fragesteller namentlich nennt und sich über sie lustig macht. 

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Nach mir jemand, der sich schon mit "Ich bin hier das disruptive Element" vorstellt, aber dann gar nicht wirklich zur Digitalisierung vorträgt. Auch er verfolgt die Methode, haltlose Beispiele zu verwenden, aus irgendwelchen Gründen redet er gerne über Schlüpfer. Konsequenterweise kann ich mich auch nur an folgenden Satz erinnern: "Ja, Sie bestellen acht Schlüpfer online und schicken sieben wieder zurück, das ist schon super." Danach lernte ich, dass es keine verbindlichen Zeichen zum Einweisen von Lastwagen gibt. Irgendwie musste ich noch drei Vorträge auf dem Podium sitzen bleiben, was bedeutet, dass man aufpassen muss, dass man nicht aus einem fremden Glas trinkt, oder sich auffällig kratzt oder ein doofes Gesicht macht, wenn der Fotograf rumspringt.

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Danach kurz im Hotel eingecheckt. Auf dem Weg dorthin konnte ich die Münsteraner Bürgersteige bewundern. Das ist wie eine Art Tetris. Da kann Berlin noch davon lernen. 





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Am Abend  ein Rundgang durch den Hafen, die Bilder dazu habe ich schon gestern verbloggt. Bei der Abendveranstaltung sitze ich neben jemand, der - wie sich nach kurzem Gespräch herausstellt - ein großes Stück Wald hat. Damit unterhalten wir uns den Abend über das Bäumefällen und die Tücken der Motorsäge. 


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Am nächsten Tag wieder früh raus, zum Zug nach Köln. Der eigentlich vorgesehene Zug ist nicht da, die Wagen sind anders nummeriert, die Reservierungen gelten nicht. Ich finde aber einen Platz, neben einer Neuseeländerin und ihrer alten Mutter, die für drei Wochen in Deutschland waren, und nun, um rechtzeitig zum Flughafen zu kommen, in Köln innerhalb von fünf Minuten umsteigen müssen. Ich helfe mit den Koffern und beim Finden des richtigen Zuges - in Eile umsteigen ist nie angenehm. Ich empfinde es als sehr beruhigend, dass ich nicht noch um die halbe Welt fliegen muss.

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Wieder erzähle ich etwas, kann aber vor allem ein paar interessanten anderen Leuten zuhören. Vom Hotel aus hat man Ausblick auf einen kleinen See, auf dem Platz liegt eine kleine Tüte mit Pfefferminzpastillen. Was kann schöner sein?

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Am Nachmittag muss ich an einer Telefonkonferenz teilnehmen und setze mich dafür in die Sonne, an den See. Die Telefonkonferenz ist von der Sorte, wo auf einmal fünf Leute auf eine wahnsinnige Idee kommen. ("Hey, lass uns eine Holzleiter bis zum Mond bauen!" - "Super!") Man wartet sorgenvoll ab, ob vielleicht irgendeiner merkt, dass das gar keine gute Idee ist oder ob man selbst Spielverderber sein muss und die Idee schnell kaputtmachen muss. Kurz bevor ich einsteigen will, kommt aber auch bei den anderen Teilnehmern etwas Realitätssinn an ("Wir haben eigentlich gar nicht so viel Holz." - "Was wollen wir überhaupt auf dem Mond?"). Mein Akku lässt nach und ich steige unbemerkt aus der Konferenz aus. Später muss ich hören, dass nachdem ich raus war, die Hauptprotagonistin eine neue Telefonkonferenz angesetzt hat, bei der dann eine neue Idee besprochen werden soll ("Wir bauen eine Holzleiter bis zum Mars!").

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Auf dem Rückflug lese ich in dem neuen Buch von Sven Regener. Schöne Lektüre, auch wenn ein bisschen die Neigung zum Klamauk überhand nimmt. 

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Mit einem wahnsinnigen Taxifahrer, der wild die Spuren wechselt, um Zehntelsekunden herauszufahren, nach Hause. An einer Ampel stehen wir neben einem Auto, in dem eine Frau sitzt und gestikuliert. Sie scheint sehr wütend zu sein, ballt die Fäuste, gestikuliert. Ich kann nicht erkennen, ob sie mit Freisprechanlage telefoniert, ob sie mit jemand auf dem Rücksitz spricht oder ob sie alleine im Auto sitzt und schimpft. Das ist ein bisschen gruselig. 

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Als ich vor dem Haus stehe, kommt May angerannt und geht mit mir ins Haus.

6 Kommentare:

  1. Danke für die Dienstreise, gefällt mir, wie sie mein Gedankenkarusell anregt. Das mit der Telefonkonferenz finde ich ganz besonders, daraus könnte man ein Hörspiel machen. Das Thema wäre egal, das Ergebnis offen, aber wichtig.

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    1. Das gefällt mir auch, wenn ich Gedankenkarussells anschieben kann.

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  2. WOW
    ... in Hamm, Münster & Köln:

    "Schlüpfer" .
    "schwummrig"
    "Tetris"
    "Tüte mit Pfefferminzpastillen"
    "Holzleiter bis zum Mond undoder Mars"

    ... werden mir, in Erinnerung geblieben (ړײ)

    *dankenddererheiterndenFRÜHSTÜCKSlektürejetztamTAGpack*

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  3. Und auf der Heimreise dann Regener lesen mit Geschichten aus der Wiener Straße. Eine schöne Dienstreise war das, zumindest für mich als Leserin.

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    1. Ich fand's auch nett.

      Regener wird leider immer mehr drollig/skurril. Sehr schön und lustig zu lesen; der Schmerz der ersten Bücher fehlt mir allerdings.

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