Seiten

Dienstag, 28. November 2017

I was punk before you were punk

(Die Überschrift hat, wie üblich, nicht unmittelbar etwas mit dem Text zu tun, wird aber irgendwo weiter unten erläutert, sofern ich das nicht während des Schreibens vergesse. Alle, die hier ansonsten beim Wörtchen "Punk" automatisch das Browserfenster zumachen, können also trotzdem weiterlesen und sich dann halt am Schluss ärgern.)

In den letzten Wochen gab's mal wieder eine ganz interessante Bloggerdiskussion, über den Zustand der Bloggerszene und überhaupt. Frau Brüllen (die ja einmal monatlich die "Was machst du eigentlich den ganzen Tag"-Aktion initiiert, die jeder schon irgendwo gesehen hat) hat einen Artikel über ein Schweizer Bloggertreffen geschrieben. Der Post ist aus meiner Sicht eine ganz gute Beschreibung der zwei Welten des kommerziellen und nicht-kommerziellen Bloggens. Späßchen über SEO finde ich ja auch immer gut. Mit einer Wertung würde ich mich eher zurückhalten - ich habe die komfortable Situation, dass ich mein Geld mit anderen Dingen (bei denen ich Gott sei Dank besser bin als beim Schreiben und Fotografieren) zu verdienen, so dass ich mir hier keine Gedanken über die Finanzierung machen muss. Nicht alle haben dieses Glück und wenn jemand sein Blog mit Gelderwerb verbinden will, soll sie oder er das machen. Wenn ich die Themen interessant finde, lese ich dann auch weiter. Man kann das alles auch etwas dogmatischer sehen, Christian Fischer hat das in einem Beitrag "Wie sich die Blogszene kommerzialisierte und warum heute alle Blogs gleich sind" auch getan. Da der Beitrag ein Rant ist, darf man davon ausgehen, dass er etwas sehr zugespitzt ist (er enthält auch den guten Schlusssatz, dass das alles gar nicht wichtig sei; seine Kommentare anderswo sind dann auch differenzierter). (Anderswo wird daraus dann so eine Art Gentrifizierung des Internets gemacht; entsprechend gibt es dann die Erwiderungen). Aber wie gesagt: Die Möglichkeit, einfach zum Spaß zu bloggen, hat halt nicht jeder.  Ich muss ja Werbeblogs nicht lesen. 

Das ist genügend Stoff für selbstreferentielles Herumlesen, mein eigentlicher Punkt ist aber ein anderer, In dem Text von Christian Fischer gibt es eine Passage: "Blicken wir doch mal zurück: Blogs haben damals nun einmal als persönliche „Tagebücher“, persönliche Kolumnen über Gott und die Welt angefangen. „Damals“ bedeutet übrigens – entgegen der Meinung vieler Blogger heute, die entweder 2009/2010 oder 2005/2006 als „früher“ bezeichnen, eher so 2000/2001. Da fings an mit den Blogs."  Anderswo kontrastiert er dann die heutigen Blogs mit den "Blogs von damals". In den Kommentaren findet sich dazu die Aussage: "Damals(TM) haben wir gesagt, man kann die Leute, die Blogs nicht verstanden hätten daran erkennen, dass sie „der“ Blog sagen, im Gegensatz zu „das“ Blog." Und das ist eine Haltung, die ich gut kenne. Früher gab es in der Punkszene das Spiel "I was a punk before you were a punk". Kurzgefasst, man leitete eine Autorität davon ab, wie lange man schon dabei war. Wer später kam, konnte natürlich nicht mehr mithalten. Er verstand die Insiderjokes nicht, die die Punk-Veteranen hatten. Ihm wurde auch erklärt, dass die Welt früher besser war: Die Bands waren natürlich früher cooler und authentischer, auf den Konzerten war noch Pogo etc. etc. Diese nostalgische Haltung, die zutiefst kindisch ist, führt dazu, dass eine Szene erstarrt. Keiner hat Lust, irgendwo mitzumachen, wo ihm erst einmal alle Altvorderen erklären, dass es erstens früher viel besser war und zweitens er alles falsch macht. 

Ich wünsche mir, dass es mehr Blogs gibt, nicht nur solche von arrivierten Mitvierzigern, die alten Zeiten nachtrauern, sondern auch von jüngeren Leuten, die meinetwegen gegen alle Regeln, die ich für notwendig halte, verstoßen. Ich wünsche mir, dass es Vernetzung und Information jenseits von Facebook gibt. Praktisch bedeutet das auch, dass wir uns auch mit Youtubern und anderen beschäftigen müssen, die uns im Moment eher merkwürdig vorkommen. 

Aber das meine ich natürlich alles gar nicht so: Ich habe Anfang der Achtziger K-70 und Vorkriegsphase in den kleinen JZs live gesehen. Das war noch der richtige Spirit. Die ganzen neuen Bands und die jungen Leute, die das nicht mitgemacht haben, können da nicht mithalten. Tut mir leid. Ist halt so. Andere Meinungen lasse ich vielleicht von Leuten gelten, die die Clash noch in Originalbesetzung live gesehen haben. Aber auch nur vielleicht. Sorry.

21 Kommentare:

  1. Da ich nicht mitreden kann und dazu auch keine Meinung hab, ist mir dieses Internetgedöns aber sehr suspekt... bediene mich dessen aber wiederum gerne... wenn ich denn, die richtigen Tasten/Buttons (früher warn´s noch Knöpfe) drücke:

    Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.

    Karl Raimund Popper (1902-94)

    Diesen, das BLOG aber GERNE lese,
    die unscharfen Bildchens - hier - mag,
    Jubiläen freudig mitfeiere...
    und Verlosungen liebe (ړײ) !!!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Was macht die Maus bei Ihnen,
      wie geht es ihr
      und wo/wann, lassen sie sie wieder frei ??? *doah*

      Löschen
    2. Hat die Katze ins Haus gebracht, ist ins Kinderzimmer geflohen. Nachdem wir sie eingefangen haben, brachten wir sie in den Bürgerpark.

      Löschen
    3. *DIRundDICHdenTapferkeitsundTierschutzORDENerstenRangesverleihundzumBundesverdienstkreuzamBandevorschlagenwerd...hehe*

      Löschen
    4. Wenn die Maus noch lebt, versuchen wir, sie der Katze wegzunehmen und in den Park zu bringen.

      Löschen
  2. Ich bin schon seit über vierzig Jahren Blogger, als das Internet noch mit Dampf betrieben wurde und im Winter in Afrika war, und kann sagen: Ich habe aus einem kleinen Saftladen einen großen gemacht.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Pah!Ihr hattet schon Dampf! Wir mussten für jeden Blogpost noch monatelang Fürze fangen!

      Löschen
    2. Haha... sehr gut, die Blogomotive :-)

      Löschen
    3. In meiner Jugend sind wir mit dem Ochsenkarren in die nächste Kreisstadt gefahren und haben unsere Blogposts noch beim Telegraphenamt abgegeben, wo sie per Morsezeichen nach Silicon Valley, Kalifornien, geschickt wurden! Ihr jungen Leute wisst ja gar nicht, wie gut es euch geht.

      Löschen
    4. Wenn ich solche Schnösel schon höre! Wir hätten vor Freude geweint, wenn wir eine Kreisstadt gehabt hätten! Bei uns ging es alles mit Rauchzeichen. Blogger der ersten Stunde erkannte man an den Brandspuren im Gesicht, wenn man besonders filigrane Gags aus dem Feuer gezaubert haben.

      Löschen
    5. Man hattet ihr das gut. Bei euch gab schon Blogpost. Wir auf Helgoland hatten nur Flaschenpost.
      Die aber reichlich.

      Löschen
    6. Ich habe meine ersten Blogposts noch eigenhändig in Marmortafeln gekloppt und an Höhlenwände gemalt. Ohne diese Erfahrung darf man sich einfach nicht richtiger Blogger nennen, allerhöchstens Nachwuchsblogger.

      Löschen
    7. Ganz recht. Die jungen Leute bilden sich heute gehörig etwas ein.

      Löschen
  3. Feuer? Ihr hattet schon Feuer? Was hätten wir damals für ein Feuer gegeben! Wir mussten noch in den tiefsten Hunsrück fahren, wo ein taubstummer Holzfäller in einer einsamen Hütte gelebt hat. Ihm haben wir mit Handzeichen den Inhalt unserer Blogposts erklärt und wenn wir Glück hatten - wenn wir viel Glück hatten -, gab der Mann unsere Botschaft im nächsten Jahr an einen anderen Holzfäller weiter. Es dauerte Jahrzehnte, bis sich meine Blogposts verbreitet haben. So ist es gewesen oder der Blitz soll mich treffen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Bis hierher habe ich das ja noch geglaubt. Aber jetzt wird es unrealistisch. An deiner Stelle, lieber Johnny, würde ich bei Gewitter nicht mehr rausgehen.

      Löschen
  4. Mir fiel dazu ein: Ich twittere, also bin ich - dazu hier im Gegensatz: Ich bloge, weil ich spielen will. Und die Blogs mit Reklame lese ich so wenig, wie ich die Werbesender im TV schaue. Und die "richtige" Sprache in Insiderkreisen interessiert mich nicht, ich lebe jetzt, und schaue ich mir die Tageszeitungen an, ist Rechtschreibung sowie relativ...

    AntwortenLöschen
  5. Yeah, ich hab The Clash live gesehen. Damals in Wiesbaden. Da war alles viel besser und wilder und cooler als heute und ich noch sehr klein und ahnungslos.

    Guter Post. Ich muss den Links noch folgen, später.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ach ja, damals im Mai 1980 in der Wartburg. Aber damals spielte ja schon Carlos Santana, der bis 1979 die Alphornparts in den Reggae-Stücken übernommen hat, nicht mehr mit. War auch schon nicht mehr das Wahre.

      Löschen
  6. Dann bin ich leider doch eine arme Wurst.
    (1980 war das? Bin ich alt!)

    AntwortenLöschen
  7. Ich mochte diese Typen ja nie, die einen runtermachten, weil man jetzt auch bunte Haare hatte und nicht schon vor 10 Jahren(auch wenn man da erst in der Grundschule war)und ein Mixtape von den Ramones oder Rancid. Aber Deinen Blog würde ich auch lesen, wenn rechts Amazon-Werbung blinken würde ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das freut mich! (Habe jetzt endlich auch deine neue Adresse in der Blogroll nachgetragen...)

      Löschen