Seiten

Freitag, 26. Juni 2020

Der akustische Rorschachtest

Jeder kennt es, dass das, was man zu sehen meint, mehr durch die eigenen Erwartungen bestimmt wird, als durch die Wirklichkeit. Dieses Blog beruht ja auch zu einem großen Teil auf dem billigen Taschenspielertrick, Bilder durch Text oder Überschriften in einen unerwarteten Kontext zu setzen, so dass man plötzlich darauf ganz andere Dinge sieht.

Das gleiche Prinzip funktioniert auch bei Dingen, die man hört, nur gibt es hier seltener Beispiele (über eines habe ich an anderer Stelle mal geschrieben, aber da ich gerade zu faul zum Suchen bin und ich mir auch nicht sicher bin, ob ich diesen Aspekt in der Beschreibung genügend gewürdigt habe, gibt es kein Link).

Heute bin ich den Weg vom Invalidenpark Richtung Robert-Koch-Platz gegangen, etwa auf der Höhe der Fußgängerampel hörte ich ein rhythmisches Stampfen. Ich sah, dass die Heavy-Metal-Pizzeria geöffnet war und dachte, dass Giancarlo heute wohl besonders schlechte Laune haben musste, wenn er so laut Musik hörte. Allerdings hörte sich der stampfende Rhythmus auch eher nach Industrial an, weniger an den Old-School-Heavy Metal, den er normalerweise hörte. Je näher ich an die Pizzeria kam, desto klarer wurde, dass die Geräusche woanders herkamen. Was ich für Heavy-Rhythmus gehalten hatte, war eher ein Trommelschlagen einer lauten Menge. Ich versuchte herauszufinden, wo die Demonstration genau war - am Invalidenpark und am Platz vor dem Neuen Tor demonstrieren immer wieder mal welche. Bei den nächsten Schritten hörte ich zwar immer deutlicher die demonstrierende Menge, sehen konnte ich sie nicht. Langsam wandelte sich das Geräusch, war es vielleicht von der Baustelle am Charité-Hochhaus? Als ich an der Hannoverschen Straße war, sah ich dann hinter einem Haus den wirklichen  Ruhestörer: Ein Bauarbeiter bearbeitete den Bürgersteig mit einem Rüttler, das Geräusch war zwar laut, aber nur mäßig rhythmisch. Die ganzen Zuschreibungen hatten nur in meinem Kopf stattgefunden, bei dem Versuch, das ungewohnte Geräusch irgendwie einzuordnen.  Meinen Augen traue ich ja schon lange nicht mehr, meine Ohren haben aber anscheinend auch Probleme.

9 Kommentare:

  1. das spannende ist auch, dass man nur das denken kann, woran man erinnerungen hat. also, wenn dort ein außerirdischer lärm gemacht hätte, hättest du ihn vielleicht nicht einmal gesehen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das lässt sich gut demonstrieren, wenn zum ersten Mal ein Rauchmelder piept, um niedrigen Batteriestand anzuzeigen. Man weiß zunächst gar nicht, was das ist und ordnet das Geräusch auch örtlich vollkommen falsch zu.

      Löschen
  2. Auch ich finde deine Überlegungen spannend, zeigen sie ja auch, wie viel Sinneseindrücke ständig auf uns losstürmen. Manchmal denke ich, das ist nicht gesund, aber ich bin ja vom Dorf. Andererseits trainiert es ja prima das Gedächtnis...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich bin da auch nicht sicher, stelle aber fest, dass ich mich ganz gut an die Großstadteindrücke gewöhnt habe.

      Löschen
  3. Augen zum Sehen, Ohren zum Hören,
    und einen Mund, um Schweigen zu bewahren.

    Aus Lateinamerika

    Komm DU mal in mein Alter, da biste FROH ... nicht - von zu leisen Autos - überfahren zu werden (ړײ)

    26.06.2020 Namenstag: David, Johannes, Paulus

    Bärengedenktag 2020
    26. Juni 2020 in der Welt

    Der Bärengedenktag wird veranstaltet am 26. Juni 2020. Im Jahr 2006 ernannte die Stiftung für Bären den 26. Juni zum Bärengedenktag. An diesem Tag soll dem Abschuss von "Bär Bruno" gedacht werden. Er war seit über 170 Jahren der erste Braunbär, der in Deutschland in freier Wildbahn auftrat. Der letzte Braunbär war 1835 im bayerischen Ruhpolding erlegt worden. Dieser Text wurde von www.kleiner-kalender.de entnommen.

    AntwortenLöschen
  4. Antworten
    1. Zeitgemäß wurde Bruno ja zum Problembär, passt!
      Der war nicht kuschelig und gehorsam, sowas brauchen wir nicht. Natur...

      Löschen
  5. Wie kommt jetzt der Bär hierher...auch eine Sinnestäuschung? Hihi...zumindest unerwartet und daher vielleicht verwirrend?
    Ja, so ist das mit den Erwartungen. Bei Geräuschen finde ich sogar schwierig zuzuordnen, aus welcher Richtung sie kommen. Ich hab kürzlich eine Straßenbahn gehört (als Autofahrer) und war so überzeugt, dass diese von rechts kommen würde, dass ich mich maximal erschrocken habe, als sie von links angerauscht kam. Einfach, weil "sonst" die Dinger immer von rechts gestört haben, was ja wohl Zufall war.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Angelnette erweitert hier gerne das Themenspektrum, da kommen auch Bären dazu.

      Löschen