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Donnerstag, 16. Februar 2023

Der Lauscher im Nebensitz

 Der Weg nach Berlin muss mit vier Verkehrsmitteln bestritten werden.

BRB RB14

Eine junge Frau führt verschiedene Telefonate, die um einen Vorfall bei einer Busfahrt kreisen. Herr Langfeld hat die Mail, die Herr Jäckel als Reaktion geschrieben hat, noch nicht gelesen, aber sie erklärt ihm, dass sie zwei Zeugen habe. Was er ihr raten würde? Ja, sie mache das auch noch schriftlich. Danach telefoniert sie mit ihrem Freund und beschreibt ihm zunächst die Mail von Jäckel und die Reaktion von Langfeld. Ja, die hätten halt nicht damit gerechnet, dass sie sich das nicht gefallen ließe. Fast bin ich traurig, dass sich aus der zunächst rätselhaften Geschichte nach und nach ein eher banaler Vorgang ergibt.

RB 16

Hier werde ich durch meine technische Unwissenheit zunächst vollkommen in die Irre geführt.

Ein junger Mann, ich kann ihn nicht sehen, erzählt im Waggon von seinem Tag. Er hat keinen Gesprächspartner im Zug. Aber das kennt man von Berlin, Leute, die laut mit sich selbst reden. Verglichen mit denen ist der junge Mann harmlos, er sagt immer laut ein, zwei Sätze, wie müde er sei, das müsse am Wetter liegen. Die Arbeit sei so langweilig gewesen. Das Wetter könne sich nicht entscheiden, ob es kalt oder warm werden solle. Alles in leicht fränkischen Singsang. Das merkwürdige ist, dass mit einem gewissen zeitlichen Abstand, nicht wie bei einem Telefonat, eine leicht blecherne Frauenstimme antwortet. Zuerst denke ich, der Typ redet mit einer digitalen Assistentin, Siri, Alexa oder wie die heißen, aber die Antworten hören sich persönlicher an. Sollte es schon KI geben, mit denen man sich unterhalten kann? Das merkwürdige Zwiegespräch deprimiert mich zutiefst. Dann fällt mir auf, dass immer auch so ein Pfeifgeräusch kommt und endlich fällt bei mir der Groschen. Der Typ unterhält sich mit seiner Freundin per Sprachnachricht auf WhatsApp und lässt den ganzen Waggon teilhaben. Das ist zwar doof, aber nicht deprimierend.

ICE 1002

Zwei Sitze weiter sitzt ein Typ, der offensichtlich aus dem Allgäu kommt, und sich über das Erbe seiner Mutter unterhält. Die Eltern hatten kein Testament, das macht alles kompliziert. Vor mir ein biertrinkendes Pärchen, das über das Tauchen redet.

S 46

Niemand redet. Ein Typ in einer Sportsjacke steht an der S-Bahn-Tür und hält sich mit beiden Händen an den Haltestangen fest. Alte Berliner Reflexe, man hat die Mitreisenden immer im Auge. Sieht der aus wie Ärger, muss er sich etwa übergeben. Aber er steigt ganz friedlich aus. Eine Frau steht zum Aussteigen auf, schaut in ihr Spiegelbild in der Scheibe, zieht ihren Pulli zurecht, richtet ihr Haar und lächelt ihr Spiegelbild kampflustig an.

Ich bin in der Wollankstraße.

(Auch ich habe Telefonate geführt, die für die unfreiwillig Mithörenden absonderlich gewesen sein müssen.)


8 Kommentare:

  1. Polizeinotruf.

    "Oh, hallo, bin ich bei der Polizei?"

    "Nein. Ich bin bei der Polizei.

    Sie sind irgendwo da draußen und telefonieren."

    Die 5.Jahreszeit startet mit dem heutigen ALTWEIBER - DONNERSTAG 🎭
    + schon sooo lange... ohne mich 🥳 Bin das ganze Jahr über, neben der Kapp 🎊 HELAU 🤡

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  2. ganz schön spannend, da geben sich tolle geschichten draus. ist das mal etwas für deinen ruhestand?

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  3. Wir leben in einer Zeit, in der Menschen nicht nur mit Stimmen in ihren Köpfen herumlaufen, sondern sich auch noch mit diesen unterhalten – und niemand findet etwas daran.

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