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Donnerstag, 18. Januar 2018

Im Schulbus

Ich war eigentlich fast meine ganze Schulkarriere über Fahrschüler. Als Grundschüler mit dem Stadtbus die 1,5 km zur Schule in die Stadt, für's Gymnasium die 13 km in die Kreisstadt. Nur in der zweiten Klasse hatten wir unser Klassenzimmer in einem Außenposten in dem Stadtteil, in dem ich wohnte. Ansonsten: früh aufstehen, in überfüllten Bussen stehen, immer Sorge haben, dass man die Schülerjahreskarte vergessen haben könnte. Die Busfahrer waren zwar immer dieselben und kannten einen natürlich, ließen sich aber jedesmal die Karte zeigen und schmissen einen raus, wenn man sie nicht dabei hatte. Die Busfahrer waren sowieso Menschenfeinde (das ist inzwischen ja ganz anders, die Berliner Busfahrer sind meistens nett), an der Bushaltestelle musste man vor den älteren Schülern aufpassen, die ab und zu Schulranzen der jüngeren in die Mindel schmissen oder einen dann im Bus festhielten, dass man erst zu spät aussteigen konnte. Einmal bin ich auch selbst eine Haltestelle zu früh ausgestiegen und musste knappe zwei Kilometer laufen, weil ich ganz in Gedanken versunken war und darübe nachdachte, was wohl das beste Beatles-Album sei.* In den öffentlichen Verkehrsmitteln hatte man auch immer wieder mit den alten Nazis zu tun, von denen es in meiner Jugend noch genügend gab, und die einem dann gerne erzählten, was Hitler so mit einem gemacht hätte. Nun hat man ja im Nahverkehr eher Angst vor den jungen Nazis, so ändern sich die Zeiten. 



(Jetzt wollte ich gerade schreiben, dass es aber gar nicht um mich gehen soll, musste aber feststellen, dass das eine Lüge wäre.)

In den letzten fünfzehn Jahren habe ich in der Frühe immer irgendein Kind zum Kindergarten oder zur Schule gebracht oder begleitet. Meine Terminlage am Morgen im Wesentlichen davon bestimmt, wen man wohin bringen musste, ob irgendeine Stunde ausfällt oder ob man vielleicht ein bisschen früher da sein muss. Ein Teil davon ging zu Fuß, meistens war es eine Fahrt mit S-Bahn oder Straßenbahn und seit einem halben Jahr finde ich mich, wie vor über 30 Jahren wieder um 7.10 Uhr an einer Bushaltestelle. In Berlin sind es natürlich keine Schulbusse, aber um die Zeit sind die Busse voll mit Schulkindern, die schnell noch versuchen, für Prüfungen zu lernen, die sich über Lehrer und Mitschüler lustig machen, zu dritt um einen, der am Handy spielt, herumstehen oder einfach nur Kopfhörer aufhaben und ins Leere sehen. Ich erinnere mich dann daran, wie ich mich selbst im Schulbus gefühlt habe, und bin insgesamt sehr froh, dass ich nicht mehr auf die Schule muss. 

Meine Schulwegbegleitung wird bald ihr Ende finden; J.S. findet den Weg inzwischen auch alleine. Allerdings ist der Punkt noch nicht erreicht, an dem er möglichst nicht mehr mit Papa gesehen werden will. Ich habe festgestellt, dass diese weitgehend schweigsamen 40 Minuten am Morgen eigentlich eher für mich als für ihn sind. Ich mache das mal, solange es noch geht. Und dann stehe ich irgendwann vor dem Problem, wann (und ob) ich aus dem Haus gehe, wenn ich keine Kinder mehr verräumen muss. 


*Damals, vor ca. 35 Jahren: Revolver. Heute wohl auch noch. 

6 Kommentare:

  1. Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
    geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;
    pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
    töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit;
    abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
    weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit;
    klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
    Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit;
    herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;
    suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;
    behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
    zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;
    schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
    lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit;
    Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.

    Bibel *OMmm...und...AMEN*

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  2. "Das ganze Leben ist eine Busfahrt und wir sind nur die Passagiere." (Andy Bonetti)

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