Everybody's fucked in their own special way

Mittwoch, 7. August 2019

Feen, Zauberer, astronomische Uhren!

Signs in the street


(Blick aus dem Fenster unserer Unterkunft.)

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Zum Frühstück bekommen wir von unserem Vermieter einen Stapel Crepes und verschiedene Konfitüren. Überraschenderweise probiert J.S. die Zucchini-Zitronen-Konfitüre, teilt dann aber mit, dass wir uns nicht nach dem Rezept erkundigen müssen. Wir wollen noch einen Tag uns in der Broceliande umsehen, räumen unsere Zimmer, stellen unsere Koffer unter, und fahren zunächst einmal zu einem alten Herrenhaus, in dem eine Artus-Ausstellung ist. Die Ausstellung ist praktisch durchgängig auf Französisch, was ggf. die Auswirkung gehabt haben könnte, dass ich die feinen Nuancen nicht so ganz verstanden habe. Irgendetwas Drachenkönig, irgendetwas Merlin, irgendetwas Vivianne. 

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Was sich am Vortag schon angedeutet hat und was mich dann doch etwas überrascht hat, ist, was für ein Publikum mit diesen Ausstellungen angesprochen wird. Die Heimatmuseen oder Museen für Volkssagen, die ich noch aus der Jugend kenne, waren alles sehr schnarchige Veranstaltungen mit kitschigen Märchenwäldern. Das sieht hier ganz anders aus, Herr der Ringe, Harry Potter, Games of Throne haben deutliche Spuren hinterlassen. Ich weiß nicht, wie die Artus-Ausstellung vor zwanzig Jahren aussah, aber ich stelle mir vor, dass die Hausherren zunächst etwas pikiert über das immer merkwürdiger aussehende, breitflächig tätowierte Publikum waren, bis sie feststellten, dass das die Leute waren, die Geld brachten. Entsprechend wurde dann wohl die Ausstellung umgebaut. Das Ganze wird dann noch mit reichlich Kelten- und Druiden-Geraune garniert. (Ich mag das gar nicht kritisieren, offenbar trifft das einen Nerv. Mir wurde aber in der Ausstellung zum ersten Mal klar, inwieweit die verschiedenen Folk-Horror-Strömungen,  die ich ja auch ganz nett finde, Teil eines viel größeren Mainstreams sind. Ich kriege offensichtlich nicht mehr allzu viel mit). 

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Wenn man schon dabei ist, kann man ja auch noch einen Saal mit Meerjungfrauenerotik füllen, warum nicht. 

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Im Schlosspark wird für ein großes Steampunk-Festival aufgebaut, leider erst am Nachmittag, das hätte ich mir dann doch ganz gerne noch angesehen. Der Park wird mit einer Dead Can Dance-CD beschallt, die eine Ex-Freundin mal hatte (die CD mit dem Hieronymus Bosch-Cover). Die Musik passt ganz gut zu diesem Fake-Mittelalter-Magie-Vibe, kleine Jungen im Harry-Potter-Outfit rennen durch's Gelände. 

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Im Zweifel interessiere ich mich natürlich mehr für Königskerzen als für Mittelalter-Magie. 


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Wir ziehen weiter zu einem Rundgang an Merlins Grab und am Jungbrunnen vorbei. Der Jungbrunnen sah nicht sonderlich einladend aus, die ältlichen Leute um ihn herum waren auch nicht mutig genug. 


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Überall stellen die Leute Steinchen aufeinander. Ich weiß nicht, ob das inzwischen normale Wandererbrauch ist oder ob das auch eine besondere magische Bewandtnis hat. Irgendwann ist dann alles voll von Steinchenpyramiden. 

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Bei der Wanderung ist aber deutlich zu spüren, warum die Broceliande als Zauberwald gilt. 


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Wenn man sich die normalen bretonischen Kirchen so ansieht, versteht man gar nicht, warum noch Zusatzgrusel benötigt wird. Die Granitberge sind schon merkwürdig genug. Und ich habe selten ein beunruhigenderes Kruzifix gesehen. 




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Auf dem Weg machen wir Halt in Ploermel, einem mittelalterlichen Ort, in dem gerade eine Art Jahrmarkt ist. Von der Terrasse der Creperie sehe ich einem Confrencier mit Glitzerjacket zu, der Interviews mit den Angehörigen des hiesigen Rockerclubs führt. In der ganzen Stadt sind Lautsprecher, die alles mit Rock'n'Roll beschallen. Frau Ackerbau sieht ein Hinweisschild und weil sie den Reiseführer schon vorher gelesen hat, weiß sie, dass man hier eine astronomische Uhr besichtigen kann. Wir stehen im Innenhof eines Klosters und starten die deutsche Version eines kurzen Dokumentarfilms, den man dort an der Uhr ansehen kann. Der Film startet mit großem Getöse, ein Klosterbruder eilt hinaus, ich habe kurz Sorge, dass wir die Mittagsruhe stören, aber nein, es ist Bruder Pascal, der inzwischen die vor über 150 Jahren konstruierte Uhr betreut. Der alte Mönch freut sich sichtlich über Interessenten für die Uhr und er bedeutet uns, dass wir uns im Anschluss auch das Naturkundemuseum ansehen müssen. Die Funktionen der Uhr sind wirklich beachtlich, ich kann mich aber auch für die schöne Wildblumenbepflanzung im Kloster-Innenhof begeistern. 


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Wir sehen uns das kleine Museum an, in dem die Brüder offensichtlich alle möglichen Dinge von ihren weltweiten Klosterstandorten gesammelt haben. Man sieht auch eine präparierte Boa constrictor (mit dem handgeschriebenen Hinweis, dass das Tier in Notwehr getötet wurde). Ein bisschen sieht es aus wie früher die Natursammlungen in den Grundschulen, nur etwas internationaler. Bruder Pascal zeigt uns noch die Kapelle, die vor allem hoch ist. Eine schöne Glastür findet sich allerdings darin. 

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Nach der Weiterfahrt dann Ankunft in der Nähe von Lorient, wo wir den Rest des Urlaubs verbringen wollen. 

4 Kommentare:

  1. Das hört sich nach einem abwechlungsreichen und spannendem Urlaub an. Scheint für jeden von euch etwas zu geben, und freundliche Menschen obendrein. Ich freue mich für euch.

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  2. Bildungs-URLAUB ✿ ... der/in anderen Dimensionen ... DANKE ♥ für´s Mitnehmen ✿

    https://www.bretagne-tip.de/informationen/paimpont-wald-broceliande.htm

    *DAwillICHauchmalnochhin...vielleicht... (ړײ)*

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    1. Huch. Bildung ist ja das Letzte, was man hier erwartet.

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