Everybody's fucked in their own special way

Samstag, 6. Juni 2020

Im Morgengrauen

Ort: Eine abgelegene Nebenstraße in Pankow. Es dämmert gerade, die ersten Vögel beginnen zu singen. Die Straße ist noch nass von nächtlichem Regen. Niemand ist unterwegs, doch da taucht von fern eine Gestalt auf: Ein stämmiger mittelalter Herr, der barfuß und nur mit Unterhosen bekleidet eine Blechschüssel vor sich herträgt.

Kamera zoomt auf den Mann, das Bild bleibt stehen. 

Stimme des Erzählers: "Ja, das bin ich. Um zu verstehen, wie ich in diese Situation kommen konnte, müssen wir allerdings noch einmal eine Viertelstunde zurückgehen."

***

4 Uhr nachts. Ich wache auf, weil die Katze wild herummaunzt. Das ist ein untrügliches Zeichen, dass sie irgendeine Beute ins Haus geschleppt hat. Das letzte Mal hatte ich beschlossen weiterzuschlafen, damals fanden wir dann einen Tag später eine Maus, die sich im Badezimmer versteckt hatte. Also will ich nach dem rechten sehen. Im Bad sitzt May beleidigt in der Badewanne. Dort schleppt sie normalerweise ihre Opfer hin, weil die Mäuse aus der Badewanne nicht entkommen können. Allerdings sehe ich keine Maus. Einer der Jungen hat ein Handtuch an der Badewannenkante liegen lassen, ich hebe es hoch, das ist normalerweise eines der letzten Mäuseverstecke. Aber da ist keine. May springt noch mehr beleidigt aus der Wanne und verschwindet aus dem Bad. Ich will das Handtuch zurück legen, da fällt auf einmal doch ein Mäuschen heraus und verschwindet gleich hinter dem Wäschekorb. Ich mache die Tür zu und gehe runter in die Küche und hole eine Blechschüssel. Frau Ackerbau, die inzwischen auch aufgewacht ist, hat schon ein großes Stück Pappe. Zu zweit versuchen wir die kleine und äußerst agile Maus einzufangen, die rennt allerdings in größter Geschwindigkeit die Wand des Badezimmers entlang. Bei der zweiten Runde erwische ich sie mit der Blechschüssel. Pappe runtergeschoben, Schüssel umgedreht. Ich bin zwar äußerst ungenügend angezogen, aber immer noch straßentauglicher als Frau Ackerbau. Also nehme ich die Schüssel, gehe wie ich bin zur Tür hinaus und bringe die Maus weit genug von der Killerin weg. Normalerweise bringen wir die Mäuse bis zum Bürgerpark, das ist mir dann allerdings doch zu weit. Ausnahmsweise kippe ich also das Mäuschen dem übernächsten Nachbar in die Hecke. Bevor mich irgendjemand sehen kann, bin ich wieder zuhause. (Nicht, dass es in Berlin irgendjemand stören würde, wenn man nachts barfuß und in Unterhosen Mäuse spazieren trägt.)

(Everyone loves a handsome killer.)

12 Kommentare:

  1. 06.06.2020 Namenstag:

    Claudia, Claudius, Falko, Kevin, Norbert

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  2. Schöne Reportage aus dem Hause- mit Abstecher in die feindliche Natur! Das Untier wurde freigesetzt. Ich musste Lachen, auch gut.

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  3. … und ohne von der kleinen Bestie gebissen zu werden! Mein Held!

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    1. Darf man nicht unterschätzen. Die Mäuse können recht rabiat sein.

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  4. Ich kann mir das alles sehr bildlich vorstellen! Oh, du meine Güte! :-D

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  5. Hiermit ist der Preis für den besten Prolog in der Kategorie "Blogs" des Jahres 2020 vergeben. Bekomme sofort Lust, eine Netflix-Serie zu schreiben. »Better call Ackerbau« oder so.

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    1. Die erschiene in täglichen 2-Minuten-Folgen, die alle verwackelt wären. Und er Serienguide für jede Staffel sähe so aus.

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  6. H.s fangen die Mäuse mit einer Papprollen und einem Hineindirigierstock.

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    1. Das hört sich kunstvoll an. Ich wäre um 4 Uhr dazu noch nicht in der Lage.

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