Everybody's fucked in their own special way

Dienstag, 12. Mai 2015

Reise in die Vergangenheit

Letzthin kam eine Flasche Kirschlikör in unser Haus - eher ungewöhnlich, da bei uns eigentlich niemand mehr Hochprozentiges trinkt. Und Kirschlikör schon gar nicht. Das Fläschchen weckte allerdings Erinnerungen, die mich dazu brachten, beim nächsten Einkauf eine Flasche dunkles Bier und eine Flasche Cola mitzunehmen. Zu Jugendzeiten war nämlich bei uns die Geißenmaß sehr beliebt, eine Mischung aus dunklem Bier, Cola und einem Schuß Kirschlikör. Keine Ahnung, warum, aber ich habe das häufig und viel getrunken. Die Halbe DM 2,50 im Jugendzentrum. Wenn man dann älter als 17 ist, rührt man so etwas aber aus naheliegenden Gründen nicht mehr an. 

Als ich mir die Geiß mischte und den ersten Schluck nahm, hatte ich nicht nur diesen merkwürdig pelzig-bittersüßen Geschmack auf der Zunge, sondern ich hatte auch sofort wieder Erinnerungen* an die Wochenenden, beim Schmied im Keller beim Kartenspielen, Freundschaften zerbrechen, weil man sich nachts um 1 nicht mehr über die Pokerregeln einig wird oder weil man beim Lupf die eigenen Karten doch überschätzt hat. Die vier Kilometer vom Jugendzentrum auf dem Fahrrad, über Feldwege, nicht mehr ganz gerade. Manchmal wacht man auf und stellt vollkommen verwundert fest, dass man sich bei der Nachhausefahrt noch für ein Nickerchen ins Maisfeld gelegt hat. M., der bei der Kreuzung mit der Königsberger Straße einfach immer weiterfuhr, ohne anzuhalten ("da kommt kein Auto") und es kam tatsächlich nie eines, aber ich hatte trotzdem immer Angst um ihn. Kurz vor dem Nachhausekommen noch der Stopp an der Thuja-Hecke von Dr. M., wo wir immer an die gleiche Stelle pissten. Zuhause der Weg an den Eltern vorbei, mit schwerer Zunge "ich bin schon müde, ich geh gleich ins Bett". All diese Erinnerungen, ausgelöst durch einen kleinen Schluck. 

Mit jedem Schluck sinkt der IQ um 5 % und die Urteilskraft nähert sich wieder der eines 15jährigen an. Ich habe das Gefühl, nicht alle in der Familie finden das schlecht. 

*Sind wir mal froh, dass Marcel Proust Madeleines gegessen und keine Geißen getrunken hat.

9 Kommentare:

  1. Ja, das Ungarnpaket bot einige Überraschungen. Gulaschpaste, Paprikakolbász, und roter Paprika, okay, so weit, so ungarisch. Kirschlikör, nun ja. Tonic Water?!? Cracker??

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    1. Ach ja, ganz zu schweigen von dem typisch ungarischen Kraut MINZE und der typischsten aller ungarischen Öbster LIMETTEN!!!!

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    2. Ja, das Engagement werde ich bald beenden (dieser Kommentarstrang ist nunmehr völlig unverständlich, aber ich finde das ja nicht schlecht, wenn der Eindruck entsteht, es gäbe in meinen Posts geheime Botschaften, die nur die Eingeweihten mit der Ackerbau VIP-Card verstehen können. Wir erkennen uns an den Roten Beeten, die ins Haar geflochten werden.)

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    3. Geht uns ähnlich. Wir wundern uns über die Zusammensetzung der Pakete und ertrinken förmlich in Gewürzen, die wir zu nutzen in dieser Fülle nicht imstande sind.

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    4. Ja, ich finde auch, dass der Länderbezug häufig völlig fehlt. Außerdem viel zu viel Süßkram - z.B. im Türkeipaket. Aber Rote Bete flechte ich mir nicht ins Haar. Brrrr...

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  2. Von Pfarrer Ihrer Wahl empfohlen:
    http://www.kirchenweb.at/kochrezepte/alkoholische_getraenke/diskothek/geissenmass.htm

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    1. Da ist auch das Rezept für die Laternenmaß. Gruselig!

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    2. (Und das Geissenmaßrezept steht gleich zweimal da. Sehr, sehr merkwürdige Seite)

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