Everybody's fucked in their own special way

Samstag, 20. Februar 2016

Bedeutende Dienstreisen (7)

(tl; dr: Das spannendste war die Zugteilung in Hamm.)

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Sehr früh am Hauptbahnhof. Schon einigermaßen nervös, weil mir klar ist, dass ich bei diesem Dienstreisepost nicht einfach ein paar Wolkenbilder posten kann, wenn mir gar nix einfällt (na gut, man kann immer ein paar Deutsche Bahn-Witze machen). Auf dem Bahnsteig erschreckende Dinge. Verschwinden hier nicht regelmäßig Leute?


(Der Hauptbahnhof: Abgründe tun sich auf.)

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 Als S. und ich schon auf unseren Plätzen sitzen, irren noch viele Reisende durch den Zug. Wir beide sehen auf, als wir ein sehr seltsames Rollkoffergeräusch hören. Aber es ist gar kein Koffer, sondern ein Reisender mit einer Art Kampfmops, der ein rhythmisches Knurren von sich gibt. Als das Tier auf meiner Höhe hält, hebt es den Kopf mit dem großen Kiefer und schenkt mir einen Blick, den ich als "Du kommst auch noch dran" deute. Der Besitzer sagt "Ruhig, Großer" und die beiden ziehen rhythmisch knurrend weiter. 

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Wolfsburg. Abgastester auf der Flucht. 

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Zugteilung in Hamm!

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Ausstieg in Hannover, schnell zu einem Hotel. Ich muss etwas erzählen zu einem Thema, von dem ich Ahnung habe, und auch zu einem Thema, von dem ich keine Ahnung habe, weil ein Kollege krank geworden ist. Ob mein Publikum den Unterschied bemerkt? Ich finde es nicht heraus, weil ich gleich nach dem Einsatz wieder zum Bahnhof muss. Um den Zug noch zu erwischen, habe ich für 11.05 Uhr ein Taxi bestellt. (Achtung, jetzt kommen ein paar sehr vorhersehbare Scherze. Beklagt euch beim Leben, nicht bei mir).

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11.05 Uhr - kein Taxi
11.10 Uhr - kein Taxi
11.15 Uhr - kein Taxi.
Um 11.20 Uhr geht es los, der Fahrer versucht, noch ein paar Minuten rauszuholen. Am Bahnhof kann er nicht vorfahren, da ein Kollege von ihm die Einfahrt versperrt. Ich zahle, steige aus, renne zum Bahnsteig, haste die Treppe hoch, stehe gerade noch rechtzeitig am Bahnsteig. 
Zug hat 30 Minuten Verspätung. (Ja, predictable, ich kann auch nichts dafür.)

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Am Bahnsteig geht ein Mann mit einem Stock auf und ab und murmelt vor sich hin. Plötzlich bleibt er stehen, wirft seinen Kopf nach hinten und sagt laut, in einem Tonfall, den man verwendet, wenn man mit jemand spricht, der gar nichts versteht: "Aber das ist doch ein klarer sachlicher Fehler hier. Darauf muss man ihn aufmerksam machen!" Ich bin mir nicht sicher, ob er telefoniert oder mit sich selbst spricht. Später kommt er noch einmal vorbei und summt laut und mit hoher Stimme vor sich hin. 

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Ich bin mir gar nicht sicher, ob sich die weitere Fahrt noch lohnt, wenn der Zug erhebliche Verspätung hat. Der Termin wurde von einem Kollegen vereinbart, der mich vor ein paar Wochen fragte, ob ich auch mitkommen könnte. Ja, warum nicht. Der Kollege hatte dann aber plötzlich keine Zeit mehr, so dass ich jetzt alleine unterwegs bin. Bedauerlicherweise weiß ich nicht, um was es eigentlich gehen soll, ich habe gestern zumindest noch rausgefunden, wer eigentlich außer mir noch teilnimmt. Wenn sich die Verspätung noch erhöht, dann komme ich in Castrop-Rauxel an, wenn die anderen Gesprächspartner schon keine Zeit mehr haben. Aber was soll's. Ich mag diese ziellosen Reisen und ich mag es eigentlich auch, zu Terminen zu gehen, bei denen ich keine Ahnung habe, was eigentlich passiert. Hält jung. Oder irgendetwas. 

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Im Zug telefoniert einer hinter mir, es hat wohl irgendetwas mit Webdesign zu tun. "Gut, dann machen wir das so, dann sieht's halt scheiße aus, aber funktioniert wenigstens." Ich schließe ihn sofort ins Herz, leider redet er danach leiser und ich kann nicht mehr mithören.

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Ich komme fast rechtzeitig an, die folgende S-Bahn-Fahrt von Dortmund nach Castrop-Rauxel ist atemberaubend, ich würde am liebsten  alle 100 m den Zug anhalten, um ein Foto zu machen. Das kann ich leider nicht, aber auch der Blick am Hauptbahnhof Castrop-Rauxel gefällt mir gut. 

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Die Besprechung ist nett, ich werde mit Mettbrötchen versorgt. Für einen Besuch bei Peppone fehlt leider die Zeit. 

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Auf dem Rückweg sitze ich im überfülltem Abteil zwischen Leuten, die offenbar in der Jury eines Computerspielpreises sitzen. Ich könnte jetzt wirklich Geschichten erzählen über die Spiele in der Kategorie "Pädagogisch für Unterfünfjährige", da gibt es ein paar, die haben nun wirklich gar keine Chance. Während wir sitzen, läuft etwa sieben Mal ein kleiner Junge mit einer kleinen Plastikgitarre an uns vorbei, gefolgt von seinem etwas entnervten Vater. Beim zweiten Mal verrät uns der Vater, dass der Sohn andauernd von einem Ende des Zuges zum anderen rennt. Die Ausdauer des Sohnes scheint größer als die des Vaters zu sein. Beim letzten Mal steht der Schaffner im Weg, das stört den kleinen Mann aber nicht, er schlüpft ihm einfach durch die Beine. 

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Hamm. Der geteilte Zug wird wieder komplettiert. Nur noch wenige Stunden bis zum Gesundbrunnen. 


10 Kommentare:

  1. .. vom Lesen, noch ganz außer atem bin (ړײ)
    WAS, für ein Tag -> so...am Puls des Lebens !!! *WOW-WEgrüßchendazustell*

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    1. Am Puls des Lebens? Im ICE nach Dortmund?

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    2. So geht es nun einmal
      auf der Reise hienieden.
      Einer nach dem anderen steigt aus, und der Zug saust weiter,
      bis die Station kommt,
      wo man selber aussteigen muß.
      (Wilhelm Busch)

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  2. Gesundbrunnen! Ha! Da habe ich drei Jahre als Kiezschreiber gearbeitet. Um die Ecke ist das Offside. Über diesen Teil der Reise verlierst du kein Wort - aber eine Pizzeria in der Fremde, die du nie betreten hast, wird mit Bild & Text gewürdigt. *heul*

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    1. Aber das ist doch der Grund, warum ich darüber nichts schreibe! Das ist dein Revier. Ich wilder doch nicht im fremden Revier. (Als ich nach Berlin kam, habe ich an der Brunnenstraße gewohnt, war oft im Humboldthain...)

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  3. Oh, ich sehe, du hast den geheimen Bahnsteig von Harry Potter entdeckt! Da gibt's dann sicherlich auch die Ham(m)-and-eggs-Zugteilung...

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    1. In Hamm gab's tatsächlich ein paar merkwürdige Begebenheiten am Bahnsteig... Hm. Sollte ich das auch noch einmal aufschreiben?

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    2. Der geheime unterirdische Kampfmopsbahnsteig führt vom Hauptbahnhof in Berlin direkt zu Hamm???... Ja, schreib mal auf, was da noch alles los ist!

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