Plätze, an denen man lange nicht war. Orte, die man als Kind kannte. Der Besuch bringt Erinnerungen, manchmal auch eine verspätete Erkenntnis, dass eine Geschichte tatsächlich ganz anders war, als man sie in Erinnerung hatte.
Das Wirtshaus, rechts von der Tür die Gaststube, links der Kramerladen. Wenn Opa am Stammtisch saß, sammelten M. und ich unsere Pfennige und kauften im Laden Pfennigbrause. U., die sie verkaufte, hatte dann irgendwann keine Lust mehr, die Brausestücke abzuzählen, und schob einfach eine Handvoll rüber. M. und ich zählten dann danach gründlich und freuten uns, wenn wir ein paar mehr bekommen hatten. An X., den Wirt, kann ich mich noch erinnern, aber inzwischen kann man nur noch versuchen, anhand der Grabsteine am Friedhof zu erahnen, was alles passiert ist. Meine Großeltern sind seit dreißig Jahren tot, seitdem war ich nur noch selten hier.
Gegenüber der Hammerschmiede der verfallene Hof, man sieht noch die Sonne am Giebel. Ich weiß noch, in den 70ern war das ein merkwürdiger Anblick im bayerischen Dorf. Die Erwachsenen redeten darüber, dass da eine Kommune sei, wahrscheinlich nur eine Wohngemeinschaft. Aber rätselhaft für uns Kinder, dass sich anscheinend hinter der freundlich lachenden Sonne gefährliche Dinge verbargen. Nun ist nicht mehr viel übrig. Im Hof steht ein Ford Granada, so einen habe ich auch schon Jahrzehnte nicht mehr gesehen. Er sieht aus, als hätte man dick über den Rost lackiert.
In der alten Kirche. Früher war da ein Pfarrer, der weiter die Messe auf lateinisch hielt, und meist angetrunken war. Als Kind fand ich vor allem spannend, dass der Gottesdienst keine halbe Stunde dauerte. Als ich jetzt wieder in der engen Bank sitze, stelle ich fest, wie tief die barocke Ausstattung in meinem Kopf verankert war. Der St. Florian, mit absurdem Schnurrbart, roten Bäckchen und einer Phantasie-Landsknecht-Uniform mit Federn am Helm, kippt einen Krug Wasser auf ein winziges brennendes Haus. Ich habe damals nicht verstanden, was das bedeuten könnte. Der linke Seitenaltar ist heute abgedeckt, ich weiß nicht warum. Mir fällt ein, dass da wohl ein Sebastian war, ein halbnackter Jüngling, von Pfeilen durchbohrt. Wie bei allen kleinen Barockkirchen, kann man davon ausgehen, dass die Modelle die Dorfschönheiten waren. Ob von damals mein Interesse an der Ikonographie kommt?
Inzwischen sitzen nicht mehr die Frauen links und die Männer rechts. Bei der Flurprozession wird aber noch getrennt. Weil Muttertag ist, müssen die Männer aber am Schluss gehen, und die Frauen kommen nach dem geistlichen Personal.
Sicherheitshalber schaue ich im Kalender noch einmal nach dem aktuellen Jahr.
DANKE für's Mitnehmen... lb Andreas 🙏
AntwortenLöschenWerde im Juli 👧🏼 auch eine Kindheitszeitreise unternehmen und an einen - damals mir - so glücklichen Ort zurückkehren... bin gespannt 🤗
Mark Twain Zitat - "Wenn Sie die Wahrheit sagen, müssen Sie sich nicht an etwas erinnern. " 🤫💞😉
Dann wünsche ich gute Erinnerungen im Juli!
Löschenda kommen bei mir erinnerungen, flurprozessionen waren ein event, gingen wir gerne mit wegen des treffens hinterher. und manche figuren in der kirche waren seltsam. auch bei uns gab es einen betrunkenen priester, er kommendierte uns beim jugendgottesdienst: drehen, knien... ich finde unglaublich, was in den letzten sechzig jahren geschah, wobei ich wirklich manche veränderungen damals vorhersah. auch an brausepulver erinnere ich mich, gibt es noch zu kaufen von ahoi! beim vorletzten klassentreffen verteilte ich es.
AntwortenLöschenBetrunkene Priester gab's wohl überall.
LöschenDie gibts auch heute noch. Einer hielt den Trauergottesdienst für meinen Schwiegervater und verkackte mal eben den vorher genau besprochenen Ablauf so gründlich, dass es ein Jahr später bei der Schwiegermutter nur ne Urnenprozession mit kurzer Andacht am Ziel gab.
LöschenAls er bei den Beerdigungen auch nichts mehr sagen konnte, wurde der eine Priester dann in den Ruhestand geschickt. Muss Ende der Achtziger gewesen sein.
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