Heute bin ich ausnahmsweise mal die Breite Straße auf der anderen Seite zurückgegangen und sah zum ersten Mal, dass Justitia am Rathaus abgebildet ist. Sie steht mit einer Augenbinde in einer Nische und lässt die Waage der Gerechtigkeit etwas nachlässig herunterbaumeln. Gestützt wird die Justiz übrigens von vielen kleinen bärtigen Männern, die ihren Sockel halten (das scheint plausibel). Bei der Gelegenheit fiel mir am Schild des Ratskellers (der zumindest in den 12 Jahren, die ich jetzt in Pankow wohne, nicht geöffnet hatte) auch zum ersten Mal eine kleine Genreszene auf, die der Künstler dort untergebracht hat: Eine Katze schielt begierlich auf zwei Spatzen an der anderen Seite.
Da dieses Blog endlich nach vorne kommen muss und im Internet bekanntlich nichts so hilft wie Katzencontent, hier die Katze noch einmal im Detail.
Da ich schon einmal auf Entdeckungsreise war, schaute ich gleich um's Eck in die Neue Schönholzer Straße, ob das Gerüst zur Fassadenrenovierung an der alten Oberrealschule inzwischen schon weg ist. Und tatsächlich, nach über einem Jahr kann man sich die Fassade wieder ansehen. Die Oberrealschule wurde 1900 eröffnet, der Architekt konnte sich wohl irgendwie nicht entscheiden, ob die Fassadengestaltung eher klassisch oder gotisch erfolgen sollte. Jedenfalls gibt es Unmengen von Ornamenten, die in den Sandstein geschnitten sind. Die Ausführung sieht für mich grob und halbmaschinell aus, aber ich kenne mich damit nicht aus.
Die Ornamente sind noch ganz klassisch mit Ranken verbunden, bei den Motiven beginnt allerdings so ein gewisser gestalterischer Wahnsinn (der bei Häusern aus dieser Zeit gar nicht so selten ist, man fand Ornamente eben schick und bediente sich überall, ohne sich viel um Konsistenz zu scheren). Wir sehen zunächst ein paar Fabelwesen, dabei einen Drachen, der sich einen Hinterlauf über den Kopf streckt (wenn es Katzen können, dann werden es Drachen auch können). Zuerst jedoch einen eher unfreundlich aussehenden Hund, der allerdings auch mit sich selbst beschäftigt ist.
Daneben gibt es einen extrem gelangweilten Drachentöter. Da an der Fassade jegliche christliche Symbolik fehlt, ist es sicher nicht St. Georg. Wie Jung-Siegfried sieht der dicke Knabe aber auch nicht aus.
Dann folgen ein paar Bilder, die man wenigstens thematisch einer Schule mit Turnhalle zuordnen kann, die aber heutzutage wohl schon Anlaß für eine Hausdurchsuchung sein könnten.
(So sah ich beim Schulsport wohl auch immer aus, nur hatten wir nach meiner Erinnerung keine Löwen zum Draufstellen)
An einer Ecke besinnt sich der Künstler auf ein anderes Genre und bringt die Erntesymbole. Rechen, Ährenbündel, Sense und Dreschflegel. Da Pankow um diese Zeit tatsächlich noch relativ ländlich war, ganz passend (und in diesem Blog muss das natürlich gezeigt werden):
Jetzt hätte man gestalterisch eigentlich erwartet, dass an der korrespondierenden Stelle des anderen Fensterbogens ein zu "Ackerbau" passendes Ornament zu finden ist. Aber dort findet sich nur dieser Herr:
(Woher wussten die damals, wie ich aussehe?)