Everybody's fucked in their own special way

Sonntag, 21. Mai 2017

Verirrte Seelen unterwegs (1)

Ich muss um 3:40 Uhr aufstehen. Meine letzte Erfarung vor ein paar Jahren hat mich gelehrt, dass man das Einchecken bei frühen Ferienfliegern sehr ernst nehmen muss. Der Taxifahrer hat das Radio an, es läuft Klaus Lage. Zu meinem eigenen Erschrecken stelle ich fest, dass "Tausend Mal berührt" gar nicht so schlecht ist.  (Ich habe das jetzt nur geschrieben, damit noch mehr Leute diesen furchtbaren Ohrwurm haben.)

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In Tegel herrscht tatsächlich Chaos. Hunderte, meist ältere Leute haben sich mit Gepäckwägelchen in Position gebracht. Vor den Schaltern sind Absperrungen, deren System nicht nachzuvollziehen ist. Mir ist's wurscht, denn ich habe ja extra zusätzliche Zeit eingerechnet. Alle Umstehenden beobachten sich, ob irgendjemand drängelt. Die jeweiligen Manöver werden von den Reisegruppen kommentiert. Da wir alle gleichzeitig losfliegen, auch wenn sich jemand am Schalter vordrängelt, verstehe ich die Aufregung nicht ganz. Mein Vorsatz seit Jahren ist ja, mich nur über Dinge aufzuregen, die irgendwie bedeutsam sind. Gelingt nicht immer.

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Mir kommt der Gedanke, dass ich es in dieser Umgebung relativ einfach zu einem Vorbild an guter Kleidung und Stil bringen könnte. Es bleibt beim Konjunktiv, mit Flannelhemd und Adventure Time T-Shirt reihe ich mich zwanglos in die Parade des schlechten Geschmacks älterer Herren ein.

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Es geht nicht richtig vorwärts, an der Seite bastelt ein großer Mann mit Strohhut die Absperrungen so um, dass er ohne anzustehen gleich dran kommt. Entgegen meiner Vorsätze nervt mich das. Das ist so die Type, der das Testestoron aus den Ohren rausläuft. Später sehe ich ihn im Duty Free, wie er Schnaps für den Korfu-Urlaub einkauft.

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Das Flugzeug hat 30 Minuten Verspätung und ist zu meiner Überraschung von einer spanischen Linie, mit spanischer Besatzung. Aber wenn man Airberlin bucht, wundert einen ja nix mehr. Die Kotztüten sind aber von Airberlin, mit merkwürdiger Aufschrift:


 Als wir einsteigen, beginnt ein feiner Regen. Während des Flugs kann man sich die interessantesten Wolkenformationen von oben ansehen.



Ich lese im Reiseführer, weil ich noch nichts geplant habe. Der Versuch, Urlaub wie vor dreißig Jahren zu machen.

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Nach der Ankunft stehe ich am Mietwagenschalter an. Ganz vorne in der Schlange wieder der große Mann mit Strohhut.  Ich spüre aufsteigenden Ingrimm, über den ich mich selbst wundere. Zum Zen-Buddhismus ist es noch ein Stück hin. ...umso mehr, als es gar nicht der Typ vom Check-in ist, wie ich später feststelle.

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Als Mietwagen habe ich einen Fiat Panda. In Berlin fahre ich selten Auto, auf griechischen Inseln macht's mir Spaß. Radio auf griechische Dudelmusik eingestellt, los geht's. Eigentlich muss man hier immer so fahren, dass man unmittelbar anhalten kann. Verkehrsregeln sind dann nicht so wichtig, aber jeder hat immer alles gut im Blick. Ich habe mir einen Ort im Süden der Insel heraus gesucht, den ich noch nicht kenne, will dorthin über eine Nebenstraße, fahre natürlich verkehrt und schlängele mich über einen Berg. Viele schöne Dinge am Straßenrand, aber leider keine Möglichkeiten anzuhalten. Früher war das einfacher, da war ich zu Fuß unterwegs. Allerdings hatte ich damals auch nur einen Fotoapparat mit 16 Bildern dabei.

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Der Ort, den ich mir ansehen wollte, beeindruckt mich nicht besonders. Also fahre ich noch ein Stück weiter. In einer Bar an einem Strand trinke ich meinen ersten Frappé.  Hier scheint zwar nichts los zu sein, aber die Gegend ist schön. Ich frage nach Zimmern und werde 100 m weiter geschickt. Wir werden uns schnell einig, ich werde vom Zimmerwirt noch gezwungen, einen Ouzo mit ihm zu trinken, was ich gerne tue. Er hat lange in Deutschland gearbeitet.

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Jetzt ist Zeit für einen Mittagsschlaf. Vor meinem Zimmer sitzen Rauchschwalben auf den Stromkabeln und schwätzen. Ein Zwitschern mit wenig Tonvariationen, meist mit einem Pfiff beendet. An der Pensionswand haben die Schwalben ihre Nester und füttern den Nachwuchs.

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Am Abend erkunde ich die Umgebung weiter. Ich esse in einer Taverna einen gegrillten Krakenarm, bei weitem der beste, den ich bislang hatte.

Der Wirt spendiert mir auch einen Ouzo : Heute wie vor dreißig Jahren - die Griechen haben Mitleid mit Alleinreisenden. Damals war ich oft schon besoffen von den ganzen Sachen, die mir ausgegeben wurden, ohne selbst etwas bestellen zu müssen. Auf dem Rückweg blinken Glühwürmchen in den Olivenhainen, wie verirrte Seelen, die mich vom Weg locken wollen.

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Ein Absacker in der nahen Strandbar. Ich bin der einzige Gast, außer meinem Zimmerwirt.

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Ende Tag 1.

(Anmerkung: Das ist alles auf dem Handy geschrieben, deswegen wohl leider mehr Tippfehler als gewohnt.)

19 Kommentare:

  1. WOW...

    spannender Alleintrip,
    mit Wolkenbildern,
    Schwalbengesang
    und köstlichen Spezialitäten
    auch, in flüssig... zwinker !

    *aufweitereStand-Up-Abenteuer...gibbel*

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    1. Demnächst gibt's griechischen Straßendreck - das ist alles so aufregend!

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    2. Demnächst gibt's griechischen Straßendreck - das ist alles so aufregend!

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    3. Huch!™

      Ich sehe doppelt. Liegt das jetzt am vielen Ouzo?

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    4. Ouzo verleiht klarere Sicht - bis zu einem gewissen Grad. Das hier nennt man Stereo (Herr A. links und Herr A. rechts).

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  2. Na, dann einen schönen Urlaub! Bei so einer tollen Landschaft gerate ich richtig ins Schwärmen!
    Rauchschwalben sind übrigens die Amseln Griechenlands...
    Und außerdem... HALLO! Auch wenn ich mich jetzt oute, aber bei 1000 und 1 Nacht oder Faust auf Faust von Klaus Lage drehe ich auch heute noch das Autoradio lauter und gröle mit - hört ja keiner ;-)

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    1. Ich war - im Februar - noch auf einem LIVE KONZERT von ihm + gefühlt -> so jung, wie damals !!! *YEAH*

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    2. WOW! *Schwärm*
      Großartig! Das glaube ich dir! Hier im Südenwesten ist er leider nicht oft.

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    3. Ja, die Rauchamseln... äh.. Schwalben habe ich auch in Athen mitten in der Stadt gesehen.

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    4. Klaus Lage sah doch schon in den Achtzigern so alt aus... (aber er hat offensichtlich eine solide Anhängerschaft bei den hiesigen Lesern).

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    5. https://images1.dawandastatic.com/Message3/120029/120029039/full/1495444733-453.jpg

      ...na, wie Du wohl -> mit 66 Jahren aussehen wirst ;) ? ;D *zwinker*

      Klaus rockte den Saal und sein Publikum
      + sieht bombastisch aus !!! *tausendMALberührt...undeshatWUMMmmmmmmmmmmmmmmgemacht...hehe*

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    6. Huch, die militanten KL-Fans übernehmen den Blog! Dabei ist doch tausend Mal nix passiert...

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    7. Niederschmetternde Botschaften der Blogleser; Bei einer Schönheitskonkurrenz mit Klaus Lage machst DU nur den zweiten Platz.

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    8. ... und WOHER weißt DU, dass ich aus KL (Kaiserslauern) komme ?

      Haste wohl schon die Sibylle(n) der griechischen Antike getroffen ... auch, von wegen der Schönheit... im späteren Alter ? *kicher*

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  3. Wünsche dir eine schöne Zeit!

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    1. Danke! (Meine letzten Kommentare bei dir wurden anscheinend geschluckt...)

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  4. Looking forward to further adventures - ich war vor fünf Jahren zuletzt im Ausland (Schweiz, zählt nicht wirklich) und Flughafenerfahrungen sind fast zehn Jahre her. Deine Texte sind also meine Sinnesorgane ;o)))

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    1. Sagt das nicht auch Holmes zu Watson, als er ihn alleine nach Baskerville schickt? Dann musst du unbedingt demnächst Kommentare wie: Welche Farbe hatte das Hemd des Kellners? hier einstellen.

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