Gesehen hat ihn zuerst J.S., am Nachmittag. Ein kleines, nacktes und blindes Vogelküken, das auf unserem Gemüsebeet lag. Es musste erst vor kurzem geschlüpft sein, aber weit und breit war kein Vogelnest in der Nähe. J.S. legte den Fundevogel in eine Schüssel und deckte ihn mit etwas Gras zu.
Als ich am Abend kam und den Fundevogel so zum ersten Mal sah, dachte ich zuerst, das kleine Vögelein sei schon tot und wollte ein Grab schaufeln. Da stellte J.S. ganz aufgeregt fest, dass sich Fundevogel noch bewegt. Da wollte ich das Vögelchen nicht draußen lassen, sondern legte es in einen Karton, drinnen ins Warme, auf ein paar Küchentücher. Schnell im Internet gelesen, leider war keine der Beratungsstellen mehr erreichbar. Überraschenderweise ließ sich Fundevogel mit der Pinzette füttern, ein Wurm wurde für ihn gefunden und zerteilt. Er trank auch ein bisschen Wasser und ließ dann zum ersten Mal ein leises Fiepen hören. Uns allen war trotzdem klar, dass der kleine Vogel nicht die besten Chancen hatte. J.S. sah mich an: Papa, du machst doch, dass der Vogel nicht stirbt. Wenn ich's doch gekonnt hätte.
In der Frühe wollte Fundevogel nichts mehr essen und trinken. Ich erreichte eine Tierberatungsstelle, wo mir gesagt wurde, dass wahrscheinlich Elstern den Kleinen aus dem Nest gestohlen und im Flug verloren hatten. Wahrscheinlich hatte der Kleine aber auch innere Verletzungen. In Berlin, so erfuhr ich, gibt es auch eine Station, die sich um Wildvögel kümmert und wo solche Küken aufgepäppelt werden. Als ich aber vor Mittag noch einmal nach Fundevogel sah, war er schon tot. Hätte man's verhindern können? Er hat in seinem Leben seine Augen nie aufgemacht.
Wir haben ihn unter dem Rotdorn begraben, J.S. hat einen seiner schönsten Steine ("Vielleicht ist das ein Meteorit?") als Grabstein dazu gelegt.
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Der kleine Fundevogel hätte wohl auch sonst nur ein kurzes Leben gehabt. Alles kein Grund, sich viele Gedanken zu machen.
Und trotzdem: J.S., der noch die Kinderhoffnung hat, dass Papa alles heil machen kann, und der einen ersten Eindruck bekommt, dass manches eben nicht heil ist, und auch und gerade Papa das nicht ändern kann. Und der Gedanke, bei wievielen wichtigeren Dingen man helfen oder Gutes bewirken könnte, und man es aus Faulheit, Desinteresse oder Unwissenheit doch nicht tut.
"Irrelevantes von den Wegesrändern des kleinstädtischen Berlins" - diesmal nicht. Nehmen wir's als sehr relevanten Denkanstoß.
AntwortenLöschenDanke für Deinen Beitrag. So ein kleiner Vogel und wie man das Herz an so ein kleines Tierchen hängt. Wir haben mal eine kleine tote und wunderhübsche Blindschleiche gefunden, die wir einen halben Tag mit uns rumgetragen haben, um sie dann im Garten zu begraben.
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Deine Christiane
Danke! Schön von dir zu hören! Andreas
LöschenOh ja, das ist traurig. Aber es gehört halt einfach zum Leben :(
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