Everybody's fucked in their own special way

Donnerstag, 8. Juli 2021

Nanu, Besuch so spät am Tage?

Wir machen das, was wir schon das ganze letzte Jahr bevorzugt machen: Am Abend auf der Terrasse vor dem Kirschbaum zu sitzen. Der Kater rennt durch den Garten, klettert den Baumstamm herauf, klettert wieder herunter, springt über den Zaun zum Nachbarn, verjagt die Katze, nimmt die Magnolie, die uns unsere Schwiegermutter geschenkt hat, als Kratzbaum und sieht mich bei meinem strengen Verweis an wie ein Krokodil, das mich am liebsten fressen würde. 

Es wird dunkel, die Vögel sind schon längst weg, aber der Kater klettert wieder im Kirschbaum herum. Das ist merkwürdig, weil er eigentlich nur klettert, um Vögel zu fangen. Der dunkle Schatten bewegt sich weit nach außen auf dem Ast, ich bereite mich schon darauf vor, dass ich wieder beim Abstieg helfen kann. Aber Abstieg ist anscheinend noch nicht geplant, der Schatten bewegt sich weiter hin und her. Und eigentlich ist der Schatten auch zu klein für unseren Kater. Aber die Dämmerung macht es schwierig, so etwas einzuordnen. Ich sitze also da und sehe dem Geschehen im Kirschbaum zu, mit einem steigenden nicht einzuordnendem Unbehagen. Da sehe ich auf einmal weiter oben einen zweiten Schatten im Baum. Sollte auch die Katze klettern? Ich beschließe, mir das Ganze genauer anzusehen. Der Schatten klettert etwa auf Kopfhöhe herum, sieht mich interessiert an und gibt etwas von sich, was wie ein Maunzen klingt. Das Tier ist kleiner als ein Kater, hat eine Maske und einen geringelten Schwanz: Es ist ein Waschbär, aber wohl ein sehr junger. Es stört ihn kein bisschen, dass ein Mensch ihn ansieht, er frisst einfach weiter Kirschen vom Baum. Sein Kollege tut es ihm nach. Am nächsten Tag ist praktisch keine Kirsche mehr am Baum. (Die Spatzen suchen zunehmend verzweifelt.)



Nun wissen wir ja, dass es in der Siedlung Waschbären gibt, wir finden auch immer wieder mal Spuren, aber unmittelbar gesehen haben wir sie noch nie. Bei allen Nachbarn fressen sie die Weintrauben weg, gegenüber haben sie das Vogelhaus zerlegt; um ans Futter zu kommen; ich hoffe mal, dass sie sich jetzt nicht noch weiter im Garten nach Essbaren umsehen; gegen die Tiere ist man praktisch machtlos. (Ich muss aber zugeben, dass die zwei Kleinen schon recht süß waren.)



Der Kater, der sich sonst mit allen prügelt, legte sich vor den Baum und schaute den zwei grimmig zu, versuchte aber nicht, irgendwie einzugreifen. Schlaues Tier. 

9 Kommentare:

  1. seit ich im heurigen jahr das video gesehen habe, wie der süße waschbär die noch süßeren junguhus frisst, hält sich meine begeisterung für diese invasive art in grenzen. wenn es dann ans ernten geht, musst du deinen garten in der nacht bewachen.

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    1. Gegen die kann man nichts machen. Nur hoffen, dass sie anderswo besseres finden.

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  2. ich stimme ingrid zu, die sind nicht süß, es sind wilde tiere, die leider hier keine feinde haben. du siehst ja, nicht mal der kater legt sich mit ihnen an. und sie verursachen beträchtlichen schaden in der tierwelt. ich bin für einfangen und in ein gehege stecken, sterilisieren und vergraulen. übrigens sind junge schweine ebenso lustig, und deren leben ist vielen weniger wichtig.

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  3. Vor zwei Jahren, als unsere starke Lotte noch eine unerfahrenen Jungkatze war, hat sie sich mit einem Waschbären angelegt. Dem Waschbären war das vergleichsweise egal, Lotte hatte schwere Verletzungen am Rücken und musste wochenlang behandelt werden. Gut, wenn der Kater da nicht rangeht ! Lg Gitta

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    1. Die Krallen von Waschbären sind rasiermesserscharf. Ich bin auch froh, dass der Kater sich einmal raushält.

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  4. Unsere Kirschen haben sie ja gekriegt. Und ich einen Blogpost. Deal.

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  5. Ich bin da ganz ǝ˥Os Meinung. Der Mensch holt sich einen ganzen Lego-Baukasten zum Spielen, aber wehe da liegt mal ein Klötzchen mitten im Raum und er tritt barfuß drauf. Dann ist das Klötzchen schuld und wird durch den ganzen Raum getreten.

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