Everybody's fucked in their own special way

Dienstag, 29. Juni 2021

Vor 31 Jahren

Vor 31 Jahren war B., meine damalige Freundin, als Au-Pair in London. Sie war in der Familie eines Musikers M., der für einige Lieder, die jeder schon einmal gesungen hat, die Texte geschrieben hat. (Ich habe diese Geschichte lange Zeit so erzählt, dass es um den Texter von Put your head on my shoulder ging, heute habe ich nachgesehen: er war es gar nicht.) B. führte bei ihrem Job auch mal Telefonate mit Kate Bush. Mein Zivildienst war Ende März vorbei, ich arbeitete dann noch zwei Monate regulär bei meiner Zivildienststelle und Mitte Juni flog ich nach London, um B. zu besuchen. Das war mein erster Flug und mein erstes Mal in London. Ich hatte ein Zimmer in einem B&B. Wenn ich am Abend zu dem Haushalt der M.s ging, um B. abzuholen, wollte M. immer noch ein bisschen mit mir plaudern. Ich erinnere mich noch gut daran, dass er sich bei mir halb entschuldigte für die Dinge, die er jetzt so machte (ich glaube, D. Hasselhoff hatte damit zu tun) und ich fand das damals schon schräg. Er selbst trank nichts mehr, ich bekam aber immer Whisky angeboten. 

Warum schreibe ich das heute auf? Ein paar Mal wurde ich am Abend von M. mit "Congratulations" begrüßt. Ich hatte keine Ahnung, warum, die Aufklärung war, dass am Tag vorher das deutsche Fußballteam bei der WM in Italien irgendetwas gewonnen hatte. Irgendein Spiel musste ich mir sogar mit ihm zusammen für eine Halbzeit ansehen, mit Whisky aus der Karaffe. Er war wohl überzeugt, dass ich lieber Fußball geschaut hätte, als mit B. sofort in die Stadt zu gehen. 

An einem der letzten Tage gingen wir noch einmal in die Stadt, es war der 4.7.1991, Tag des Halbfinales England - Deutschland. Wir aßen in einem indischen Restaurant, das war meine erste Begegnung mit indischem Essen, ich liebte es. Als wir wieder zur Bushaltestelle gingen, hörten wir ein kollektives Stöhnen in der Stadt. Mehrmals, hintereinander. Mir wurde klar, dass es wohl gerade ein Elfmeterschießen geben musste. Die Lautäußerungen ließen keinen Zweifel, dass es schlecht für England stand. Wir hatten noch einen relativ weiten Weg vor uns. Ich nahm B. zur Seite und sagte ihr, dass wir bis wir zuhause waren, kein Wort mehr reden durften. Nicht untereinander, nicht mit Dritten. Unser Akzent hätte uns sofort verraten. An der Bushaltestelle versuchte zwar ein Besoffener ausdauernd, irgendetwas aus uns herauszukriegen, aber wir lächelten und schwiegen bis wir - unversehrt! - die Haustür hinter uns schließen konnten. 

Ich denke mal, heute wird es nicht ganz so aufregend. Als ich heute nachgesehen habe, habe ich festgestellt, dass M. vor zwei Monaten gestorben ist, mit 85. 

8 Kommentare:

  1. Heute biste ja nicht in London ... alles GUT ;D *zwinker*

    Events im Juni 2021
    29 Di

    Feiertag der Umarmung
    Kameratag
    Tag des Waffeleisens
    Welttag des Industriedesigns
    Peter und Paul

    Namenstag: Beatrix, Emma, Gero, Judith, Paulus von Tarsus, Peter, Petra

    *knuddel*

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  2. M = John Barry Mason MBE (* 12. Juli 1935 in Wigan, England; † 16. April 2021[1]) war ein britischer Songschreiber, der in den 1960er Jahren mehrere Gold- und Platin-Auszeichnungen für seine Arbeiten erhielt.

    *SherlockENGELCHENlässtgrüßen...RIP*

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    1. Shirley Holmes! Ich bin beeindruckt. Er hat viel für Tom Jones und auch Engelbert geschrieben... Delilah...

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  3. danke für diese spannende geschichte, sie gefällt mir und ist wohl wesentlicher als heutige ereignisse im stadion. mir fiel dazu noch die autorin lily brett ein, sie schrieb damals zeitweise für den rolling stone von dieser szene der rockstars und texter.

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  4. Ha, ha - wenn die Tage wieder kürzer und kälter werden - mal diesen Film ansehen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Mitten_ins_Herz_%E2%80%93_Ein_Song_f%C3%BCr_dich
    Und heute ab 18:00 Uhr das Spiel aus London!
    Frau Irgendwas ist immer

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