Everybody's fucked in their own special way

Dienstag, 6. August 2019

Into the Zauberwald

Ackerwinde und Getreide




(Tag 2 des Reiseberichts.)

Am nächsten Tag war ich angenehm vom Hotelbuffet überrascht; französisches Frühstück besteht ja häufig nur aus einem Croissant und einem Kaffee; das hier war deutlich üppiger. Das Hotel hatte zudem eine Ablage mit vielen vollkommen unterschiedlichen Kaffeetassen, so dass man sich wie in der Büroküche vorkam. Nett. Während des Frühstücks lief der Großbild-Fernseher, so eine Art französisches Morgenmagazin. Ich hatte fünf Jahre Französisch in der Schule, das ist einige Jahrzehnte her, verstehe passiv noch einiges und kann auch einfachere Sachen lesen, das Hochgeschwindigkeits-Stakkato der Nachrichten war mir aber deutlich zu schnell und kompliziert. Andauernd wurden allerdings Bilder von der Parade beim Nationalfeiertag gebracht, bei der ja ein einzelner Soldat auf so einem Flyboard durch die Lüfte schwebte. Das scheint alle nachhaltig beeindruckt zu haben. Dem Wetterbericht konnte ich immerhin entnehmen, dass wir uns in der nächsten Woche in einer der wenigen Regionen Zentraleuropas aufhalten würden, in der es nicht viel wärmer als 25-30 Grad werden würde. 


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Nach dem Frühstück zum Autoverleih. Der junge Mann am Schalter erkundigt sich, wo wir hinwollen und fragt, warum denn eigentlich alle Deutschen auch nach Concarneau fahren wollen. Frau Ackerbau kann Auskunft geben, das liegt an den in Deutschland beliebten Bretagne-Krimis, die ein Deutscher unter französischen Pseudonym schreibt. In Frankreich hat offenbar kaum einer von diesen Büchern gehört. Auf der weiteren Reise stellen wir fest, dass es auch genügend französische Bretagne-Krimis gibt, die allerdings anscheinend in Deutschland keinen interessieren. 

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Theorie: Wenn Architekten ganz verbittert und menschenfeindlich geworden sind, kommen sie zu der Spezialtruppe, die Parkhäuser entwirft. (Ähnliche Theorie meiner Mutter: Die menschenfeindlichsten Tischler haben früher die Kirchbänke hergestellt.)

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Wir fahren eine dreiviertel Stunde in Richtung Broceliande, dem großen bretonischen Wald. D.h., Frau Ackerbau fährt und ich sitze daneben. Außerhalb von Griechenland bin ich als Beifahrer weitaus zufriedener. Bei dem Mietwagen lässt sich das Handynavigationssystem an das Bordsystem ankoppeln, so dass die eigentlichen Beifahreraufgaben (bis auf gelegentliches Getränkereichen und Nackenmassagen) ohnehin entfallen. Unser nächster Stopp ist in einem kleinen Kaff, das Zimmer ist zwar noch nicht fertig, wir können aber unsere Koffer abstellen. Wir machen uns auf, um irgendwelche Feenseen anzugucken.  

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Der Anlaufpunkt für die Broceliande ist Paimpont. Dort ist ein altes Kloster mit Touristeninformation, dort findet man auch den Beginn des Weges in das Tal ohne Wiederkehr. (Mir widerstrebt es, in Täler ohne Wiederkehr zu gehen, noch mehr widerstrebt es mir aber, Berichte über Ausflüge in Täler ohne Wiederkehr zu lesen. Wer ebenfalls aus Logikgründen das nicht erträgt, muss jetzt das Lesen hier einstellen). Vor dem Kloster war aber noch ein Schrottplatz, dort konnte man folgenden schönen 2CV sehen. 

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Mein Interesse, sich einmal die Broceliande anzusehen, wurde erheblich dadurch gesteigert, dass es eine Spirou und Fantasio-Geschichte aus der Broceliande gibt. Deren Zeichner Fournier war wohl auch Bretone, er hat einige Spirou und Fantasio-Geschichten mit Bretagne-Bezug gezeichnet, darunter auch "L'Abbayé truquée", die auf deutsch Anfang der Siebziger Jahre in einem Fix-und-Foxi-Taschenbuch unter dem Titel "Gerangel mit der Triangel" erschienen ist. Ich hatte dieses Taschenbuch und habe die Geschichte geliebt; erst spät wurde mir klar, dass die titelgebende merkwürdige Abtei einer bretonischen Kirche nachgebildet war. Die Abtei in Paimpont war dagegen weniger merkwürdig, die dort verkauften Souvenirs deuteten aber schon darauf hin, dass die Broceliande Wallfahrtsort für alle möglichen New-Age-Schwurbler ist. Die Ästhetik dort bewegt sich irgendwo zwischen Manga-Comic, Tattoo-Shop und Mittelaltermarkt. Wir holen uns eine Wanderkarte.

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Wir gehen los, an der Heiligen-Gral-Kapelle vorbei.  Ein Priester, der die Artus-Sage besonders schätzte, hat die Kirche thematisch zum Heiligen Gral ausgestalten lassen. Im Reiseführer lese ich dann, dass die künstlerische Ausgestaltung von deutschen Kriegsgefangenen vorgenommen wurde, so sieht das Ganze auch aus. Da die Kapelle auch in einem Bretagne-Krimi vorkommt, sieht man auch mal andere deutsche Touristen. 

(Das ist der Pfarrer, der die pfiffige Idee hatte. Hat eine Statue bekommen.)

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Wir kommen an einem Feensee vorbei, in dem Merlin für eine Fee (Nymphe? Ich kann das alles nicht mehr auseinanderhalten, meine Notizen sind auch nicht so das Wahre) ein Schloß gebaut hat, das man nicht sehen konnte. Vielleicht war es das hier, da sieht man auch nichts:


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Außerdem gibt es noch einen goldenen Baum, der nun nicht enttäuscht. Die Legende dazu habe ich aber wieder vergessen bzw. gar nie gehört. Ich finde, dass das hier aber ein guter Zeitpunkt ist, einmal sinnlose Goethe-Zitate anzuprangern, wie z.B. "Grau ist alle Theorie, aber grün ist des Lebens goldener Baum". Auf dem Bild kann man deutlich sehen, dass ein goldener Baum nicht grün ist, sondern eben golden. (Konnte Goethe mit seiner Farbtheorie aber evtl. noch gar nicht wissen, ich will nicht unfair sein.) 

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Das Tal ohne Wiederkehr ist aber ansonsten sehr hübsch und schön für eine Wanderung (ich glaube, ich habe oben schon darauf hingewiesen, dass ich den Namen etwas irreführend finde).


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Wir kommen zurück zu unserer Unterkunft, werden dort von einem begeisterten Cockerspaniel begrüßt, den wir mit Mühe abhalten können, auf die Straße zu laufen. Wir setzen uns in den Garten, der Hund kommt mit, verschwindet irgendwo. Ich bewundere die großen Olivenbäume, die dort stehen. Am nächsten Tag werde ich lernen, dass das Klima in der Bretagne durchaus mild genug ist, dass die Olivenbäume dort auch im Freien überwintern können. Die Familie hat Sorge, dass der Hund abgehauen sein könnte, wir suchen im Garten, irgendwann steht er dann wieder vor uns. 

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Zeit ins Bett zu gehen.  

6 Kommentare:

  1. ..(((..
    .(ړײ)..
    ..(▒/°▀
    ..╝╚... besser als jeder bretonische Krimi ... DANKEschööön für die Morgääähn - Lektüre ... und mit meiner Cappuccinotasse winkewunkt

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  2. Prima Bericht, bringt mich auf nicht durchführbare Ideen, ich kenne zwar die Krimis, hatte aber nicht an die Sagen gedacht. Ist eine spannende Landschaft, und gute Fotos! Der goldene Baum ist wohl angemalt!?

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    1. Der eigentliche Baum ist wohl vor einigen Jahren bei einem großen Waldbrand zerstört worden und durch den goldenen Stamm ersetzt worden.

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  3. Die Parkhaustheorie klingt plausibel. Falls die auch für Tiefgaragen gelten soll, hätte ich allerdings mit der unter dem (der?) Place Jean Jaures in Béziers ein Gegenbeispiel: Man fährt nahezu ebenerdig an der Bergflanke durch einen kurzen Tunnel hinein, parkiert und betritt die Altstadt vier Stockwerke höher per Aufzug. Sehr bequem und praktisch gar nicht verwinkelt.

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