Everybody's fucked in their own special way

Montag, 5. August 2019

De Retour

Also, fangen wir mal wieder an. Eigentlich hatte ich gedacht, während des Urlaubs ein Reisetagebuch zu führen, dass ich dann nach der Pause einfach Tag für Tag verblogge. Gute Idee, dazu müsste man allerdings während des Urlaubs auch irgendetwas aufschreiben. Ausführliche Reisetagebücher habe ich bislang nur selten gemacht, weil sie verflucht viel Arbeit machen  aus verschiedenen Gründen. In letzter Zeit habe ich allerdings anderswo einige gelesen, die mir gut gefallen haben, also probiere ich es mal wieder. Zur Gedächtnisunterstützung kann ich mich für die ersten vier Tage auf geschmierte Aufzeichnungen in meinem Notizbuch stützen, für die restliche Zeit muss ich dann die Fotos von Rissen in Hausmauern, die wie immer etwa 90 % meiner Aufnahmen darstellen, jeweils irgendwelchen Ereignissen zuordnen. (Stammleserinnen, die jetzt darüber verwirrt sind, dass hier irgendwelche inhaltliche Entscheidungen vorab erläutert werden, müssen sich keine Sorgen machen: Ich bin's noch und ich werde natürlich übermorgen dann doch wieder kommentarlos ganz etwas anderes machen, wenn ich meine Meinung ändere oder keine Lust mehr habe)

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Es soll in die Bretagne gehen, vor 13 Jahren waren wir da schon einmal, allerdings damals unter leicht erschwerten Umständen.

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Am Flughafen bei der Sicherheitskontrolle geht es zwar durch den Scanner, trotzdem piept es, und ich bekomme also noch eine Popomassage. Ich werde mich wohl auch nicht mehr daran gewöhnen, dass mir fremde Leute mit den Händen innen am Hosenbund entlang fahren, aber das wird wohl so bleiben. Ein Novum: Mein Handgepäck löst einen Alarm aus, ein dumpfes Signal kommt, das Personal ruft "Feststellung!", alles wird angehalten, es kommt ein älterer Bundespolizist mit Schnauzbart und fragt mich, ob das mein Gepäck sei. Ich bejahe. Er bittet mich aufzuzählen, was alles in dem Gepäckstück sei, weist mich freundlich darauf hin, dass ich keine Angst haben müsse. Es stellt sich heraus, dass eine Mischung von dicken Büchern und elektrischen Kabeln nicht ideal ist. Dicke Bücher können offenbar nicht durchleuchtet werden, wenn auf dem Monitor ein dunkler Block, umwickelt von elektronischem Kram angezeigt wird, gibt das also einen Alarm. Ich werde befragt, alles wird untersucht, alle sind freundlich. Das liegt vor allem daran, dass jedem hier auch klar ist, dass es sich um einen Fehlalarm handelt (das vor allem, weil man die Gefährlichkeit von Familienvätern über 50 allgemein unterschätzt). Trotzdem (und richtigerweise) werde ich eine Viertelstunde inspiziert, es wird geprüft, ob ich Sprengstoffspuren am Hosenbund oder Laptop habe, ich muss mein Laptop anschalten, der Beamte schaut sich mein Notizbuch durch. Er fragt im freundlichen Tonfall, aber es ist deutlich zu spüren, dass es darauf lauert, ob irgendeine Unbotsmäßigkeit von mir kommt. Aber wenn Leute mir Waffen vor mir stehen, fange ich keinen unnötigen Streit an, deswegen bin ich geduldig und schicksalsergeben. Wenn ich irgendwelchen Ärger machen würde, könnte der nette Beamte (durchaus zurecht) dafür sorgen, dass ich den Flug verpasse. Ich habe das Glück, dass es absolut in meiner Hand liegt, ob so etwas passiert, ich kann es durch mein eigenes Verhalten beeinflussen. Wenn ich eine andere Hautfarbe oder eine andere Herkunft hätte, sähe das ganz anders aus. (Das ist der Kern der oft missverstandenen Diskussion über Privilegien.)

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Ankunft in Paris, über lange Gänge zum Ausgang. Wir kommen an einem Fenster vorbei, auf dessen anderer Seite viele Federn liegen. Ich schaue mich um und sehe eine große Saatkrähe, die gerade den Leichnam einer Taube zerpflückt und verspeist. Die Krähe blickt auf und scheint mich anzusehen, durchaus gut gelaunt ob ihres Frühstücks. Ich nehme mir vor, dieses erste französische Erlebnis nicht als Zeichen für den weiteren Urlaub zu nehmen. 

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Vom Flughafen mit dem Bus zum Bahnhof Montparnasse. In dem Bahnhof gibt es keinen Abfahrtsplan, an dem die Gleise angezeigt werden, sondern die Gleise für die einzelnen Züge werden etwa 20 Minuten vor Ankunft auf großen Bildschirmen angezeigt. Damit müssen also alle in der Abfahrtshalle herumlungern, bis der Zug angezeigt wird. Die TGVs sehen inzwischen schon ziemlich abgeranzt aus, ein ICE macht da etwas mehr her; man sitzt allerdings in der zweiten Klasse deutlich bequemer. Die Zugbegleiterin scheucht auch ein paar Mal durch die Gänge und sucht Plätze für diejenigen, die noch keinen gefunden haben. Wir kommen in Rennes an und suchen unser Hotel für die Nacht.

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Ein erster Spaziergang in die Stadt. Ich finde an einer Mauer die Schlangensymbole von Oré wieder, die mich vor fünf Jahren in der Invalidenstraße rätseln haben lassen. In Rennes gibt es auch genügend Graffiti-Künstler, darunter auch einige, die Zeichen oder Bilder mit weißer Farbe auf den Fußweg malen. Das sieht teilweise sehr interessant aus.


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In der Kathedrale von Rennes gibt es merkwürdige Seitenaltäre: Einer scheint Einkaufswagen gewidmet zu sein, der andere ist ein Josephsaltar, an dem, durchaus passend, ein Stapel altes Holz liegt. Zum ersten, wenn auch nicht zum letzten Mal in diesem Urlaub bedauere ich, dass man das Lexikon der christlichen Ikonographie so schlecht im Reisegepäck unterbringt. Aber auch das kann wohl nicht alle Rätsel lösen. 



(In der Kirche habe ich verschiedene Kerzen für verschiedene Leute angezündet, aber heller wurde es dadurch für die Fotos auch nicht.)

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Rätselhaft auch anderer Fassadenschmuck: An einem Fenster hängt eine merkwürdige Puppe. 

Daneben ein Beleg, dass die Politikerbeschimpfung in der Bretagne lange Tradition hat.


Ein anderer Künstler erklärt es so: Für die Street Art gibt es keine Regeln, sondern nur Beschränkungen.





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Zum Essen gibt es Galette, eine Buchweizencrêpe, und Cidre. Standardessen für die nächsten Wochen (der Rest der Familie isst zum ersten Mal in diesem Urlaub gesalzenes Karamell). Am Abend gehen wir noch ein paar Schritte vor das Hotel, in einer Straße, die versteckt mit einer urzeitlichen Venusstatue gekennzeichnet ist, finden wir ein Bierlokal. 

Wir sitzen im Freien, gegenüber eines großen Wandgemäldes des Le déjeuner sur l'herbe. Die anderen Gäste sind deutlich jünger und cooler als wir, aber wir werden trotzdem bedient.

(Ende des ersten Tages.) 

7 Kommentare:

  1. Ich freue mich sehr ....
    auf Dein Blog-Comeback, aus/nach´m Urlaub mit der ackerbaumännischliken Frühstücks-Mittags-Lektüre ...
    mit Anfassen, Saatkrähe und lecker Essen ...
    weiter SO ... vielleicht (ړײ)

    *zwinkerndsichamüsiert*

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    1. Mal schauen, ob ich die Energie behalte, weiter so ausführlich zu berichten.

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  2. Der Rest der Familie isst zum ersten Mal???? Ich dachte, im Hause Ackerbaus wird gründlich getäfelt??? Oder fehlt da etwa ein Nomen wie Eichhörnchen womöglich?

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    1. ICH WOLLTE DOCH NUR TESTEN, OB NOCH JEMAND MITLIEST!
      (Ich habe tatsächlich keine Ahnung, was dieser Satz bedeuten sollte. Ich kann sicher ausschließen, dass der Rest der Familie zum ersten Mal gegessen hat, ich glaube, die haben auch schon 2014 mal was gegessen.)

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    2. Jetzt ist es mir wieder eingefallen!

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  3. Willkommen in Pankow- in der Nachbarschaft ist Landleben! Wir haben gestern gesalzenes Eis gegessen, war auch prima. Eine Katze kommt uns auch schon besuchen, hattet Ihr in F nicht, oder?

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    1. Nicht umsonst heißt der Untertitel hier "Irrelevantes von den Wegesrändern des kleinstädtischen Berlins"...
      Eine Katze hatten wir in Frankreich nicht, nur verschiedene Möwen.

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