Ich habe gerade auf einem anderen Blog etwas über Berliner Currywurst gelesen und mir kam eine Erinnerung an den letzten Tag meines Jahres in Schottland.
Das war alles noch im letzten Jahrtausend.
Der letzte Tag, mein Zimmer war ausgeräumt. Ein Jahr vorher war ich mit einem Hartschalenkoffer voll Kram angekommen, für die Heimfahrt war nun zu dem Koffer noch ein Rucksack dazu gekommen. Einen Teil meiner Sachen hatte ich zu einem Oxfam-Laden gebracht, einen Teil meinen Mitbewohnern, soweit sie noch da waren, gegeben. Katie, die einzige, die neben mir ab und zu mal abwusch oder den Müll rausbrachte, war mit ihrem Freund Charlie bergwandern. Ich hatte nie verstanden, wie man im UK in den Hügelchen bergwandern kann. Als ich ihr wenig später einmal eine Weihnachtskarte schrieb, kam die Antwort, dass Charlie bei einer der Wanderungen tödlich verunglückt war, er war noch keine 25.
In den Semesterferien hatten sowieso die meisten ihre Zimmer an irgendwelche Iren untervermietet, so dass man nie wußte, wem man in der Früh in der Küche begegnen würde. Einmal wohnte mehrere Tage ein besonders unangenehmer Typ bei uns, den alle nur ertrugen, weil man dachte, er sei der Bruder von Brian, dem Anführer der Iren-Gang. Als es dann irgendwann gar nicht mehr ging, und wir Brian schonend darauf ansprachen, war der sehr überrascht: Er kenne den Typen doch auch nicht, der müsse irgendwann spätabends einfach mit ihnen nach Hause gekommen sein.
Jetzt waren die Sachen gepackt, ich ging noch ein letztes Mal zum 24-Stunden-Spar, der ungünstigerweise nur 100 Meter von der Wohnung entfernt war, und kaufte eine Rolle Digestive Schokoladenkekse, verabschiedete mich von dem Obdachlosenzeitungs-Verkäufer, der immer an der Rankeillor Street stand und kaufte ihm ein letztes Big Issue ab. Er meinte: We will certainly miss you, sir.
Dann ging ich zu C., der noch ein paar Tage länger blieb. Uns wurde klar, dass es nun an der Zeit war, das zu tun, vor dem wir uns das ganze Jahr gedrückt hatten. Wir hatten zwar Haggis probiert (überraschend wohlschmeckend), ein very hot-Gericht bei Chili Connection bestellt, aber vor einem waren wir bislang zurück geschreckt: dem deep fried mars bar. Der frittierte Schokoladenriegel ist Teil der schottischen Folklore, jeder hat davon gehört oder kennt jemand, der ihn schon einmal probiert hat. C. hatte Erkundigungen angestellt und nach einigen Mühen einen Tipp bekommen, wo man den Stoff kriegen könne. Der Weg führte uns zur Nicolson Street (ein bisschen weiter nördlich saß damals wohl gerade Joanne Rowling im Nicolson Cafe und schrieb an ihrem Kram). C.s Gewährsmann hatte uns auf Pasquale's Fish und Chips verwiesen ("Pasquale frittiert alles"). Wir gingen hinein und fragten nach den deep fried mars bars. Pasquale, ein Italiener, sah uns misstrauisch an, die schottischen Gäste musterten uns abfällig. Waren wir Touristen, die sich nur lustig machen wollten? Wir mussten im Voraus zahlen und Pasquale schmiss mit Abscheu zwei Mars-Riegel in das heiße Fisch-Frittierfett. Die Riegel zerliefen nicht, sondern nahmen außen eine knusprig-helle Farbe an. Sie wurden auf einem Teller serviert, alle sahen C. und mich an, um sicher zu gehen, dass wir das auch tatsächlich essen würden. Ich biss hinein, die Riegel waren außen fest, innen leicht angeschmolzen und schmeckten ein bisschen wie Fischstäbchen mit Schokoladefüllung. Gar nicht so unangenehm. Das billige Fett machte das Ganze noch weniger gut verdaulich als Marsriegel ohnehin sind. Wir verabschiedeten uns und gingen noch einmal zu C. Selten habe ich einen Whisky so gebraucht wie an diesem Abend.
Der Rückflug am nächsten Morgen war nicht angenehm.
Schöne Geschichte!
AntwortenLöschenDanke!
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