Everybody's fucked in their own special way

Samstag, 5. Januar 2019

Besuch im Nebenzimmer (28)


Normalerweise habe ich hier ja alle ein, zwei Monate zusammengefasst, was alles so im Zweiblog drüben los war. Der letzte Besuch im Nebenzimmer ist allerdings schon über 14 Monate her. Da es hüben wie drüben weitergeht, wird es Zeit, die Tradition wieder aufzunehmen. Angesichts der Anzahl der Posts bietet es sich allerdings an, die Beiträge thematisch zusammenzufassen. Also, welche Themen für den verschwiegenen Kenner und die verschwiegene Kennerin gab es im letzten Jahr im Zweitblog?



Es gab Konzerte, nicht zu knapp. Ein Abend mit TromboneShorty, dem New-Orleans-Jazz-Funk-Soul-oder-was-weiß-ich-Zauber-Posaunisten. Mir gefiel es anscheinend: Ein schöner Abend zum Herumhopsen, verbunden mit der Feststellung, dass das Berliner gehobene Jazzpublikum um einiges schlimmer ist als die übliche Punkmeute, die ich ansonsten auf den Konzerten sehe. Merkwürdigerweises findet sich auch in der nächsten Konzertkritik eine vollkommen ungerechtfertigte Herabwürdigung des Berliner Jazzpublikums: Wer übrigens meint, dass das grusligste Publikum auf Konzerten der angejahrten Punkbands zu finden sei, täuscht sich. Jazzclubs sind schlimmer. Lauter alte Männer, die sich modisch aufgegeben haben. Ich passe da sehr gut hinein. Anlass für diese Stilkritik war ein Konzert von Robert Rotifer, dem genauen Analytiker der britischen Psyche nach dem Brexit,der ein schönes Konzert im Jazzclub Quasimodo gegeben hat. Weit weg vom Jazz dann bei Feine Sahne Fischfilet (und deren tollen Vorgruppe Not on Tour): Man kann mit einiger Berechtigung sagen, dass in einem Lied von Not on tour mehr musikalisch passiert als in einer halben Stunde Feine Sahne Fischfilet, aber dann würde man wohl das Wesentliche übersehen. Was wohl das Wesentliche ist (alle drehen sich gelangweilt um: "jaja, man sieht nur mit dem Herzen gut, ich weiß Bescheid")? Einen sehr schönen Abend haben wir bei den Undertones verbracht, die das vierzigste Jubiläum von Teenage Kicks feierten. Die Bandmitglieder sahen so aus wie früher die Leute am Stammtisch meines Großvaters. Hagelbuachn hat man das früher genannt. Die  hatten früher Haarwasser oder Brillantine in den Haaren, dick nach hinten gekämmt, so starker Dialekt, das ich nur wenig verstanden habe. So war es praktisch beim Undertones-Konzert auch. Dann gab es noch die brillianten Nightingales, die ich unverzeihlicherweise die letzten dreißig Jahre nicht mehr auf dem Schirm hatte. Dann kommen die Nightingales, die - mit Ausnahme der Schlagzeugerin - alle im Anzug auftreten. (Bassist und Gitarrist sehen dazu noch aus wie frühere Kollegen von mir, der Gitarrist wie der einzige Kollege, dem ich mal einen Locher an den Kopf geschmissen habe). Da hätte ich mich nicht extra fürs Konzert umziehen müssen. Optisch sehen sie aus wie die Raiffeisenbank Zolling auf Betriebsausflug, aber das betont nur, wie egal der Band die normalen Rituale des Rockbusiness sind. Schließlich waren wir bei den Levellers und bei Sean McGowan (ich muss jetzt mal versuchen, ein Zitat herauszusuchen, dass nicht an irgendwelchen Äußerlichkeiten herummäkelt..... Nun also noch einmal Sean McGowan, mit deutlich mehr Auftrittspraxis, aber immer noch sehr viel sympathischen Enthusiasmus. Inzwischen auch mit einer richtigen CD, die irgendwo zwischen Billy Bragg und den Clash angesiedelt ist. Ich höre das sehr gerne. Schließlich hatten wir noch einen sehr schönen Abend mit dem atheistischen Wanderprediger Frank Turner & den Sleeping Souls sowie Xylaroo. Musikalisch ist er ja inzwischen eher auf der Springsteen-/Powerrock-Schiene unterwegs, nennt das Konzert aber eine "Punkrock-Show"; aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung, weil Punk ja ohnehin eine Geisteshaltung ist, die nicht unbedingt etwas mit Musikgenres zu tun hat. Und außerdem definiert sich ja jeder ohnehin selbst, was er darunter verstehen mag. Turner gibt als erste Regel für das Konzert aus: Don't be an asshole (vom Gitarristen hilfreich übersetzt mit "Keine Scheißekopf hier"). Aufgrund der Störungen im Betriebsablauf gab es letztes Jahr noch einige Konzerte, die nicht im Blog auftauchten, darunter die Descendents und die Damned (bei denen mein Begleiter erstaunt feststellte: Der Gitarrist sieht ja aus wie dieser Captain Sensible!) sowie zweimal Will Varley. 


Ein Novum im Blog war das dystopische Kurzgeschichtchen „Dork“.  Ansonsten natürlich die Kurznotizen zu unterschiedlichster Musik, wie z.B. zu The revolution will not be televised von Gil Scott Heron, Bir Allah von Stella Haskil (das mit siebzigjähriger Verspätung 2018 eines meiner meistgehörtesten Liedern wurde), Hey Bulldog von den Beatles, Track a‘ Lackin‘ von Xylaroo, Golden Slippers von den Kanawha Singers, Hospital von Art Brut, We Are the Onevon den Avengers nebst einigem mehr zu Penelope Houston, L.O.V.E. (und noch ein paar mehr kluge Lieder) von Sonic Boom Six sowie eine kurze Betrachtung zu dem unsäglichen Nothing Else Matters von Metallica.


Ein Post behandelte die Platten des Jahres, ein anderer bot eher ungewöhnliche Weihnachtsmusik.




Die gesammelten Inhaltsverzeichnisse des Zweitblogs findet man wie immer, wenn man auf den Tag „Nebenzimmer“ klickt.

2 Kommentare:

  1. Buchzitat von Joanne K. Rowling aus Harry Potter - und der Stein der Weisen

    'Ah, Musik', sagte er und wischte sich die Augen. 'Ein Zauber der alles in den Schatten stellt, was wir hier treiben.'

    'Ah, music,' he said, wiping his eyes. 'A magic beyond all we do here!'

    Habe gestern "Senior Voice" im TV gesehen und besuche im Januar, den Max Mutzke ... DAS, sagt doch ALLES - oder ? *zwinker*

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  2. Das Nebenzimmer ist längst zum Wohnzimmer geworden ;o)

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